Hacken, 6. Okt. 1919
ieSiag« zur „Werkstatt der Knast“ (E. A. Seena««, Leipzig).
Erscheint 14 tigig unter Leitnng ven Maler Prof. Ernst Berger.
IYI. Jalirg. Ir. 1
Inhalt: Die künstlerische Proportionslehre von Vitruv bis Dürer. (3. Fortsetzung.) — 25 Jahre Münchner Mal-
technik (3. Fortsetzung.) Von E. B. — Goethes Farbenlehre in den „Gesprächen“ mit I. P. Eckermann.
Zusammengestellt von E. B. (2. Fortsetzung,)
Die künstlerische Proportionslehre von Vitruv bis Dürer.
(3. Fortsetzung.)
Von der Begliederung der Tiere.
Die Glieder am tierischen Leibe sollen so ge-
macht werden, dass sie in ihrer Art zusammen-
passen.
Ich will sagen, dass du nicht ein Bein oder
einen Arm oder andere Gliedmassen von einem
Schlanken abzeichnest und sie Einem, der dick:
und breit von Brust und Hals ist, anheftest. Und
menge nicht Gliedmassen vom Jungen mit solchen
vom Alten durcheinander, oder nicht kraftstrotzende
und muskulöse mit feinen und schwächlichen, oder
gar Männer- mit Weiber-Gliedmassen.
Nr.,269 (375).
Dass jedes Glied für sich dem Ganzen
seines Körpers proportioniert sei.
Mache, dass jeder Teil eines Ganzen dem
Ganzen selbst proportioniert sei. So sei ein
Mensch von dicker und kurzer Gestalt ebenso an
allen seinen Gliedern beschaffen, d. h. kurz und
dick sei der Arm, breit die Hände, dick und kurz
die Finger und deren Gelenke in der eben be-
zeichneten Weise, und so sei auch alles Uebrige*
Und das Gleiche will ich vofcn allen Tieren
insgesammt und auch von den Pflanzen gesagt
haben sowohl es das Ab- als Zunehmen der Dicken-
Verhältnisse anlangt.
[Die folgenden Abschnitte (§§ 270—283) han-
deln „von Veränderung der Höhen- und Breiten-
^asse durch verschiedene Stellung und Bewegung
des Körpers und Muskeln“ sowohl beim Menschen
Ms auch bei Tieren, meist anatomische Bemer-
kungen über die Gelenke und ihre Ansätze, daran
^schliessend (Fascikel 2) von Muskulatur und
Anatomie mit besonderer Rücksicht auf deren
par akteristische und anmutige Verwendung,
eibeskonstitution, Lebensalter, Bewegung.]
Im II. Teil (Abs. 17 der 2. Abt. Böhms Ausg.)
Nr. IOI findet sich die Angabe:
Masse oder Einteilung der Statue (misure
o’ compartitioi della statua).
„Teile den Kopf in 12 Grade, und jeden Grad
in 12 Punkte, den Punkt in 12 Minuten, die Mi-
nuten in kleine Minuten und diese in halbe kleine
Minuten.“
Zu dieser ziemlich dunklen Stelle bemerkt
Ludwig (S. 234 des Kommentars):
„Die gleiche Einteilung der Proportionalität in
Duodezimalmass ist auch in Paciolis Divina Pro-
portione für das nach’ der Sesquitertia (3/4) kon-
struierte menschliche Haupt angegeben; ebenso
ist sie in der Proportionalfigur aus Lionardos
Schule (s. Note 28, 31), sowie auch in der Cen-
ninischen ausführbar. Sie hat vor einer Dezimal-
teilung den Vorteil grösserer Teilbarkeit in ganzen
Zahlen voraus, und eignet sich speziell zu leichter
Ausrechnung von Abwandlungen der diminuieren-
den Sesquialtera (2/3) und Sesquitertia (3/4). —
Z. B. I Sesquialtera, ansteigend: — 144 Punkte
= 12 Grad, — 64 zu 96 zu 144 zu 216 zu 324
zu 486 zu 729. — Eine weitere Abwandlung wird
schwerlich in einer Komposition Vorkommen. —
2. Sesquitertia, ansteigend: Punkte: 63 zu 84 zu
144 zu 341 3/2. — Und abwärts kann man die
Reihe der Sesquialtera von 64 nochmals zu 422/3
Punkte stellen, die der Sesquitertia zu 38^.
Diese Abwandlungen dann mit dem Lionardoschen
Duodezimalmassstab abzumessen, hat gleichfalls
keine Schwierigkeit ....
Man vergl. die Berechnungen in Paciolis Di-
vina Proportione und fünf regelmässigen und ab-
geleiteten Solidkörpern. Hier werden die Ses-
quialtera und Sesquitertia als fast so gute Pro-