München, 29. März 1920
Beilage zw „Werkstatt der Knast" (E. A. Seeaaan, Leipzig).
Erscbalnt 14tägig. Begründet vea Maler Prof. Ernst Berger.
XVI. Jahrg. Nr. 13
Inhalt: lieber das Reinigen von Oelbildern. Von Dr. Walter Gräff. -— Hat die Oelmalerei die Tempera-
malerei verdrängt? Eine Untersuchung. (Schluss.)
Ueber das Reinigen von Oelbildern.
Von Dr. Walter Gräff.
Eine Aeusserung des Kunstmalers Franz
Guillerv, des Vorsitzenden der Künstlergewerk-
schaft in München, in der Sitzung des provisori-
schen Nationalrats vom 3. Januar 1919 gibt mir
Veranlassung, ein Thema anzuschneiden, das im
Prinzip für den Kunsthistoriker und auch für
einen grossen Teil der ausübenden Künstler-
schaft kaum der Erörterung bedürfte, das aber
wegen seiner neuen Begründung und der Vor-
würfe, die dabei der Leitung der Bayrischen
Staatsgemäldesammlungen gemacht worden sind,
unbedingt einer aufklärenden Behandlung bedarf.
Guillery sagte: „Wir verlangen, dass die Künst-
ler zu allen Stellungen herangezogen werden, zu
denen eine künstlerische Fachkenntnis notwendig
ist. Die Stellung eines Galeriedirektors ist in
erster Linie die eines Konservators, und ein Kon-
servator muss ein Fachmann sein. Die Erfahrungen,
die hier gemacht wurden, und die Erklärungen,
die gerade in diesem Saale seinerzeit der Kultus-
minister v. Wehner abgab, haben ergeben, dass
die Kunstschätze der Pinakothek in geradezu un-
verantwortlicher Weise durch falsche Restaurie-
rungen geschädigt wurden. Dies beweist zur
Genüge, dass an die Spitze eines solchen Unter-
nehmens nicht ein Gelehrter gehört, sondern ein
Fachmann, der Bilder konservieren kann“.
Der Anspruch, dass die Stellungen von
Galeriedirektoren nicht von Kunsthistorikern, son-
dern von Malern zu besetzen seien, tauchte in
den letzten Jahren wieder öfters auf, wenn eine
Stelle neu zu besetzen war in einer Stadt, in der
die Künstlerschaft durch Zahl und Leistungen
eine gewisse Bedeutung beanspruchen kann. Im
vorliegenden Falle wird die Revolution zum An-
lass genommen, einen Wechsel in der Galerie-
direktion zu verlangen und zur Begründung wird
eine Behauptung aufgegriffen, deren Haltlosigkeit
längst bewiesen schien, wenn sie auch von ihrem
Urheber -— eben dem Maler Guillery — seit
zehn Jahren von Zeit zu Zeit wieder neu ausge-
sprochen und zu Ausfällen gegen die Direktion
benutzt wurde. Diese stetige Wiederholung der
Behauptung kann zwar nicht den Beweis ersetzen,
den Guillery uns beharrlich schuldig geblieben
ist, aber sie gibt, wenn nicht den Tatsachen end-
lich einmal nachgegangen und ihre Haltlosigkeit
nachgewiesen wird, dem Urheber den Schein, als
ob er im Recht sei. Darum müssen wir uns not-
gedrungen mit ihm beschäftigen.
Stellen wir zunächst einmal fest, welche Vor-
kommnisse Herrn Guillery die Veranlassung zu
seinen Angriffen gaben. Im November und De-
zember 1909 wurde die alte Pinakothek durch
den neu nach München gekommenen Herrn v.
Tschudi neu eingerichtet. Die Bilder waren
sämtlich von den Wänden abgenommen und wur-
den, ehe man sie wieder aufhängte, in dem un-
barmherzigen Licht der Loggia genau auf ihrem
Zustand untersucht. Hierbei stellte es sich her-
aus, dass eine sehr grosse Zahl von Gemälden von
einer dicken Schmutzschicht bedeckt waren, da man
sie seit Jahrzehnten nicht gereinigt hatte. Es wurde
zunächst versucht, dieses Medium auf trockenem
Wege durch Abreiben zu entfernen. Da dies je-
doch in vielen Fällen nicht genügte, weil der
Schmutz zu fest sass, entschloss sich Herr
v. Tschudi nach Anhörung der langjährigen
Restauratoren, des Kustos Sessig und des Assi-
stenten Bernatz, sowie auf Grund seiner eigenen
langjährigen Museumserfahrung und seiner Kennt-
nisse vom Stand der Wissenschaft und der Aus-