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Münchner kunsttechnische Blätter — 16.1919-1920

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Nr. 13
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Hat die Oelmalerei die Temperamalerei verdrängt?, [2]: eine Untersuchung
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76

Münchner kunsttechnische Blätter

Br. 13

Hat die Oelmalerei die Temperamalerei
verdrängt? — Eine Untersuchung.
(Schluss.)
Bei meiner Untersuchung bin ich auf mehrere
Stellen gestossen, bei denen nur immer von reiner
Temperamalerei die Rede ist. Jedenfalls sind da-
bei nur solche Temperafarben gemeint, denen als
Bindemittel nur Eigelb zugesetzt worden ist. Anderer-
seits ist dieses nicht als stichhaltig anzunehmen,
denn der Zusatz von Eigelb allein bewirkt leicht
eine Fäulnis der Farben. Wäre dies eingetreten
oder kein anderes Bindemittel angewandt worden,
dann wären die vielen guterhaltenen Gemälde nicht
auf uns gekommen. Würde auch nur die Feigen-
milch zur Entgegenwirkung der Fäulnis angewandt
worden sein, so könnte schon von reiner Tempera
nicht die Rede sein.
Das Geheimnis zu ergründen, welche Studien die
alten Meister zur Zusammensetzung ihrer Tempera-
farben anwandten, ist bis heute noch nicht trotz ge-
nauester Untersuchung gelungen. Nur das eine steht
fest, wie auch Freiherrr von Pereira-Arnstein in seiner
Schrift „Tempera rediviva“ anführt, dass auch Plinius,
Dioscorides, nach dem Lakusmanuskript aus dem
8. Jahrhundert, nach Heraclius, Theophilus, 12. Jahr-
hundert, dem Berner Anonymus, nach dem Bologneser
Manuskript, nach Cennino Cennini, Valentin Bolz von
Rufach, Giovanni Francesko Garbo aus Venedig, Merri-
field u. a. bestanden die Bindemittel der Temperafar-
ben aus verschiedenen Gummi- und Leimlösungen.
Ferner wurde das Ei, Eiweiss, der Honig, die Feigen-
milch von unreifen Feigen, Essig und Alaun zu Binde-
mitteln verwandt. Auch selbst Harze und Firnisse,
die heute nicht mehr vorhanden sind, wurden dazu
benutzt.
Und weiter führt der Biograph Waagen an, dass
die Ausführung mit solchen Farben viel Härte in der
Darstellung erzeugen musste, indem sie weniger in-
einander gearbeitet werden konnten, um aber diesen
fertigen Gemälden das erdige Ansehen zu benehmen
und mehr Dauer zu verleihen, überzog man sie mit
geschmolzenem Wachs, wozu man die gemalte Seite
über ein gelindes Feuer hielt, um den Schmelz des
Wachses mehr gleichmässig fliessen zu lassen, oder
man gab ihnen einen anderen harzigen oder Oel-
firnis.
Johann van Eyck erkannte aber bald die Unvoll-
kommenheit dieser Technik und da ihm schon früher
Versuche in Oel zu malen bekannt waren und er hier-
zu seine chemischen Kenntnisse benutzte, so gelangte
er am Ende nach manchen Versuchen dahin, nicht nur
einen Oelfirnis zu bereiten, welchen er zum Trocknen
dunkler Farben verwenden konnte, sondern er bediente
sich auch des Mohn- und Nussöls, um die helleren
Farben, welche sich zur Oelmalerei eigneten, damit
anzumachen. Die Stoffe zur Oelmalerei musste er erst
genau kennen, um alles Schädliche daraus zu ent-
fernen; diese Kenntnis konnte er erst durch Erfahrung
erlangen. Wie glücklich er dabei verfahren ist, er-
sehen wir daraus, dass alle seine Gemälde sich bis
heute noch klar und deutlich erhalten haben, keine
Farbe der anderen feindlich begegnet und die Schat-
ten nach so langer Zeit ihrer Entstehung nicht nach-
gedunkelt sind. Ob er der Erfinder der Oelmalerei
ist, darüber gehen die Ansichten Waagens, Lessings
und Fiorillos, die alle über das Alter der Oelmalerei
schrieben, weit auseinander.
Aber noch weitere Nachforschungen auf dem Ge-
biete der Maltechniken der Alten klären uns darüber auf,
dass van Eyck nicht der Erfinder der Oelmalerei war.
Obgleich Vosari der erste war, welcher Johann van

Eyck als Erfinder nennt, so bleibt doch jetzt zu er-
kennen, dass dieser Ruf schon allgemein bekannt ge-
wesen sein musste und sich bis auf Vosari fortge-
pflanzt hat. Lessing fand in der Wolfenbüttelschen
Bibliothek das Manuskript des Presbyter Theophilus
und suchte damit dem Johann van Eyck die Erfindung
der Oelmalerei streitig zu machen. Diese Widerlegung
gelang ihm auch insofern, weil daraus und aus Be-
richten des Heraklius klar hervorgeht, dass in der al-
ten römischen Kunst und im frühen Mittelalter die
Kunst mit Lein- und Nussöl zu malen, geübt
worden ist.

Wie wir auch aus dem Traktat des Theophilus entneh-
men können, war das Malen mit Oelfarben noch viel zu
umständlich, als dass es allgemein durchführbar ge-
wesen wäre.
So trat immer wieder die Leimfarb- und Tempera-
malerei an die erste Stelle, denn es ist nachgewiesen,
dass das Firnissen von Leim- und Temperamalereien
mit Leinöl- und Harzfirnissen schon lange vor der
van Eycktechnik bekannt gewesen ist.
Es bleibt also eine fast unentschiedene Frage,
wer der Erfinder der Oelmalerei gewesen ist, denn
die Ansichten darüber gingen schon vor Jahrhunderten
ebenso auseinander, wie sie heute noch auseinander-
gehen. Von den neueren Forschern vertreten Ludwig
in seinen Grundsätzen und Cramer in seinen Unter-
suchungen über den Beginn der Oelmalerei neben
v. Reber die Ansicht, dass van Eyck der Erfinder der
Oelmalerei sei.

Lassen wir hier z. B. die Ausführungen Rebers
folgen: Die von den Brüdern van Eyck hinterlassenen
Werke zeigen keinen Zusammenhang mit der damaligen
Wandmalerei, und ausser der Herübernahme der Oei-
technik ebensowenig mit der Schild- und Banner-
malerei, während alles an die feine fleissige und zier-
liche Iiluminierkunst erinnert, übertragen auf grösseren
Umfang, auf eine andere Technik und auf selbständigere
Zwecke. Dabei bedienten sie sich des an eigentlichen
Gemälden neuen Oelbindemittels unter ganz ver-
änderten Bestrebungen, als sie bisher mit der
Anwendung der Oelfarbe in Verbindung getreten
waren. Der Vorteil der Wetterbeständigkeit zunächst,
welcher dieselbe für Anstrich und handwerkliches Zier-
werk in erster Reihe empfahl, kam nun so viel wie
gar nicht mehr in Betracht. Auch der erhöhte Glanz
und die transparente Leuchtkraft der Oelfarbe war bei
der Wasser- und Temperamalerei [durch! Firnisüber-
zug wenigstens bis auf einen gewissen Grad zu er-
reichen. Nicht aber bei raschtrocknenden Binde-
mitteln ein länger dauerndes Verarbeiten des Farben-
auftrags im Nassen behufs Erzielung weicher Ueber-
gänge, und ebensowenig das Uebergehen der trocken
gewordenen Stellen mit durchsichtigen Lasuren zum
Zweck harmonischer Zusammentönung. Dazu bot die
Oeltechnik das geeignetste Mittel dar, welches die
van Eyck ohne Zweifel erst ergriffen, als sie sich in
der Gouchetechnik des Miniaturwerks wie in der Tem-
pera des Tafelbildes an der Grenze des Möglichen
sahen. In diesem Sinne und im Gegensatz zu dem
längst verwendeten Oelfarbenanstrich im gewerblichen
Dienst sind sie tatsächlich die Erfinder der Oel-
malerei.

Durch die sich immer weiter verbreitende Technik
der Oelmalerei gelangte die Temperamalerei allerdings
nach und nach in Abnahme, was auchr nicht ausbleiben
konnte, denn es hing mit den veränderten Zeitverhält-
nissen zusammen. Die Kirche verlor ihren bestimmten
Einfluss auf die Kunst. Man malte immer mehr auf
Leinwand statt auf Holztafeln, weil die Malerei vom
Reichtum und Fürstenstand abhing und die Bilder von
Besitzer zu Besitzer wanderten und Holztafeln um-
ständlicher zu transportieren waren. Die Leinwand-
 
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