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Münchner kunsttechnische Blätter — 16.1919-1920

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Nr. 13
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Hat die Oelmalerei die Temperamalerei verdrängt?, [2]: eine Untersuchung
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Nr. 13

Münchner kunsttechnische Blätter

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bilder konnten aufgerollt und überallhin transportiert
werden. Auch hatte die Oelmalerei den Vorteil, dass
die technischen Schwierigkeiten, die die Malerei in
Temperafarbe aufwies, viel leichter zu überwinden
waren, um der Arbeit eine Dauerhaftigkeit zu verleihen.
Wie viele dieser Arbeiten sind dadurch zugrunde ge-
gangen, wenn der Ueberzug von geschmolzenem Wachs,
der den Temperafarben die Frische und Leuchtkraft
verleihen sollte, fehlschlug. Oder dass nicht genügend
Befestigungsmittel vorhanden war, wie bei der ge-
malten Predella (das Sockelgemälde) des Genter Altars,
die bei einer späteren Reinigung mit Wasser zugrunde
ging. Hier war allerdings die Widerstandsfähigkeit
gegen Feuchtigkeit sehr gering. Dazu gesellte sich
noch, dass die Technik der Oelmalerei leichter zu er-
lernen war. Sie erlaubte neben Korrekturen nass in
nass, also Aenderungen in den einmal hingesetzten
Farbentönen, sodann dass sie in unverändertem Tone
auftrocknete, während die Temperafarbe beim Ein-
trocknen sich ändert. Der Maler musste also in der
Lage sein, schon vorher, genau wie bei der Fresko-
und der Leimfarbenmalerei den Tonwert der Farbe
bestimmen zu können. Wenn auch die Temperatech-
nik gegenüber der Oeltechnik viele Schwierigkeiten
aufwies und ein eingehendes langes Studium erforderte,
das der angehende Maler erst durch eine mehrere
Jahre dauernde Lehre bei einem Meister sich aneignen
konnte, hielt man doch immer lange an der Tempera-
technik fest.
Es dürfte eigentlich gar kein Zweifel darüber
aufkommen, dass die Temperamalerei nicht noch bei
der Anwendung der Oeltechnik in Gebrauch ge-
wesen ist.
Nach von Pereira- Arnstein bedienten sich die
Niederländer nach der Zeit van Eycks noch lange
Zeit der Tempera zur Untermalung ihrer Gemälde.
Er führt als Beweis dafür ein unvollendetes Werk
Rembrandts (1006 bis 1669) an. Eine Bergpredigt,
welche im Besitze des Berliner Museums ist, bemerkte
er weiter, sei mit Tempera unter starker Beimischung
von Eigelb gemalt und zwar mit brauner und weisser
Farbe.
Es beweisen uns ja dieses auch die vielen Stellen
in kunstgeschichtlichen Werken sowie in den Lebens-
beschreibungen der grossen Meister jener Epoche,
denn darin wird ganz besonders hervorgehoben, dass
dieser oder jener Künstler auf Leinwand und über-
haupt in Oel ein Bild gemalt hat. Daraus geht also
klar hervor, dass die Temperatechnik die herrschende
war, sonst hätte man nicht besonders hervorgehoben,
dass das Bild in Oel gemalt wurde. Die genauen Unter-
suchungen an den alten Gemälden selbst haben uns
auch davon überzeugt und die Gewissheit abgegeben,
dass häufig eine Untermalung in Tempera stattgefunden
hat, über die dann eine Lasurmalerei mit Oelfarbe ge-
geben wurde. Ebenso trifft man nicht selten an, dass
bei einer Oelmalerei die obere Hälfte, so der Himmel,
Luft und Wolken in Tempera gemalt wurde, während
alles andere in der Oeltechnik ausgeführt ist. Oder
wieder an anderen Stellen sehen wir die Retouchierung
in Temperatechnik ausgeführt. Auch selbst das um-
gekehrte Verhältnis wird nicht selten gefunden; eine
Oelmalerei, die mit Tempera übermalt worden ist, tritt
dann auf.
Wohl erhielten die Kunstwerke der früheren Jahr-
hunderte die mannigfachste Ueberarbeitung, so dass
es oft schwer ist, die Technik, in der sie einst ge-
malt worden sind, heute noch feststeilen zu können.
Wie auch all dem sein mag, die meisten Gemä'de des
Mittelalters und schon früher sind in Fresko mit Unter-
stützung der Temperamalerei hei gestellt Auch in der
klassischen Zeit der Renaissance fand die Fresko-
malerei durch die Temperatechnik eine wesentliche

Unterstützung. Besonders bestätigt sich dieses bei
Wandgemälden, die auf reinen Freskogrund hergestellt
sind, bei denen der figürliche Teil, die Gewandteile
usw. eine komplizierte Temperaübermalung aufweisem
Ich erinnere an die berühmten Wandgemälde Rafaels
m der Farnesina und im Vatikan, der Gemälde des
Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle u. a. m.
Steilen wir einen Vergleich an Hand dieser Stellen
an, so kommen wir zu dem Resultat, dass die Tempera-
malerei noch lange Zeit nach der Einführung der Oel-
malerei gebräuchlich war, durch diese nicht verdrängt
worden ist, wie allgemein angenommen wird und dass
selbst der Schüler van Eycks, der Italiener Antonio
daJMessina die Oelmalerei noch unvollkommen ausübte
und die Temperatechnik immer noch zu Hilfe nahm.
Die Auftragungen in der Oelmalerei erfolgten in dün-
nen Schichten, ohne dass sie vertrieben waren. Dazu
karn noch der Umstand, dass der Effekt verschiedener
rarbstoffe in der Oelmalerei nicht so hervorgehoben
werden konnte, wie man dies von altersher bei der
Temperamalerei gewohnt war.
So waren es besonders die für die Temperamalerei
erprobten und hochgeschätzten Farben Blau, Grün
und Rot, die nicht ohne weiteres für die Oeltechnik
angewendet werden konnten.
Die Methode, solche Farben, die in Tempera be-
sonders gut standen, als solche allein anzuwenden und
dabei doch mit der Oelmalerei in Verbindung zu
bringen, bestand ganz allgemein und findet sich häufig
an Werken, die bis ins 18. Jahrhundert hineinreichen.
Raehlmann will sogar an den Erscheinungen, dass z.
B. die Azure und die grünen, sogar auch einzelne
gelbe Farben in der Tempera aufgetragen sind, mit
Bestimmtheit auf ein Temperamedium schliessen.
Es geht aus allem Befunde hervor, dass die alten
Meister mit der Tempera nicht nur eine schnellere
Ausführung erzielten, sondern auch eine viel grössere
Schönheit ihrer Gemälde damit hervorbrachten, als
sie es dann später mit der schwerfälligen und plum-
pen Oelmalerei in der Lage waren. Sie kannten die
Temperatechnik zu genau und wussten auch, dass sie
mit diesem Farbenmaterial gefirnisst oder ungefirnisst
eine grosse Frische der Farbenpracht und zugleich
eine unbegrenzte Dauerhaftigkeit eines Gemäldes her-
vorbringen konnten. Alles dieses mag die Ursache
gewesen sein, dass die Oelmalerei die Temperamalerei
nicht verdrängen konnte. Zugleich ist hiermit eine
Widerlegung gegeben auf die Ausführung Hugo Strucks,
der von dem Standpunkte ausgeht, dass das, was die
grosse Mehrzahl der Maler und Kunsthistoriker heut-
zutage an den Bildern der alten Meister für Tempera-
malerei halten, nur einfach Oelmalerei, aber in ganz
anderer Oelfarbe sei, wie sie heute von den Fabrikanten
in Tubenfüllung hergestellt wird.

| Staatl. Bauhaus inWeimar
O (Ehemalige Großh. Sachs. Hochschule für bilden ie Kunst und
Ä ehemalige Großh. Sachs. Kunstgewerbeschule in Vereinigung
V unter Neuangliederung einer Abteilung für Baukunst.)
(} Werkstätten für bildende Kunst. Handwerkliche.
O zeichnerisch-nnal rische u. wissenschaftlich-theoret.
Ä Ausbildung auf allen Gebieten d. bildner. Schaffens.
X Lehrende Meister: Die Architekten: Walter Gropius, Paul Klopfer.
■ Die Maier: Lyonei Feininger, Johannes Itten, Walther Klemm, Odo
V Rasch, Max Thedy. Die Bildhauer: Kichard Engelmann, Gerhard
4i Mareks. Weitere Neuberufungen stehen bevor. Eintritt jederzeit.
A Näheres durch das Sekretariat. Die Leitung.

Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann in Leipzig
 
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