IOÖ
Münchner kunsttechnische Blätter
‘Jfor. 17
anormaler Fettansammlung, wie sie in unästhe-
tischster Weise beim Fettsteiss der Hottentotten-
frauen in die Erscheinung tritt, kann diese Be-
weglichkeit des Beckens, die wir beim Weibe
sonst als Eigentümlichkeit gern hinnehmen, höchst
widerlich anmuten, und es kommt einem die
Anekdote in den Sinn, die von jenem phantasie-
begabten Laien erzählt, der bei der rückwärtigen
Betrachtung seiner Auserwählten an hüpfende
Kaninchen denkt.
Bildererhaltung durch Gesundung der
Malteehnik.
Ein Vorschlag von Dr. Walter Gr äff,
Konservator der bayerischen Staatsgemäldesammlungen,
Es/hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte
immer häufiger ergeben, dass Gemälde, die für
öffentliche Gemäldesammlungen — oft zu bedeu-
tenden Preisen —- erworben worden sind, schon
nach wenigen Jahren grosse, manchmal nicht zu
behebende Schäden aufgewiesen haben, Schäden,
die in der Regel auf technische Fehler beim Auf-
bau der Malerei zurückzuführen sind. Ein Gang
durch die Museen neuerer Malerei, ja sogar schon
durch die grossen Kunstausstellungen lässt uns
ähnliche Beobachtungen machen und es mussten
bereits moderne Bilder nur ihres schlechten Zu-
standes wegen vom Ankauf ausgeschlossen werden.
Besonders die Vertreter der modernen Malweisen,
die vielfach ohne gediegene Vorkenntnisse vom
Handwerk ihre Kunst betreiben, begünstigen diese
bedauerliche Tatsache trotz der Bemühungen, die
sich die Gesellschaft für rationelle Malverfahren,
einzelne Akaderhien und Lehrer zur Gesundung
der Technik geben mögen. Daher tragen viele
Bilder schon von Anfang an den Keim baldigen
Verfalls in sich.
Jährlich werden von den Einzelstaaten, den
deutschen Städten und den Museumseigentümern
bedeutende Summen für die Erhaltung der Kunst-
werke, ausgeworfen die Einrichtungen der Museen
werden tunlichst verbessert, um alle Schädlinge fern-
zuhalten, neue Museen werden auf Grund der Erfah-
rungen, die an älteren gemacht worden sind, mit
allen Mitteln zur Gesundhaltung ihres Inhalts aus-
gestättet. 1 emperatur- und Feuchtigkeitsmessungen
werden angestellt und alle erdenklichen Mass-
regeln zur Gesundung der vorhandenen Galerie-
räume getroffen; erfahrene Fachmänner beobachten
die Bilder und treffen beim Auftreten der ge-
ringsten Veränderung ihre Vorkehrungen, um
Schäden oder eine weitere Verschlimmerung des
Zustandes hintanzuhalten, aber trotzdem schreiten
die Verheerungen fort und das in unverhältnis-
massig stärkerem Masse bei modernen Bildern als
bei älteren und alten. Unser Nationalvermögen
iat dadurch jährlich grosse Einbussen zu ver-
zeichnen, was besonders unter den heutigen Ver-
hältnissen bedeutsam ins Gewicht fällt.
Sicherlich haben unsere Gemälde heute mehr
und gefährlichere Feinde, als sie jene vor hundert
Jahren hatten. Die Industrie und der Hausbrand
mit Steinkohlen vergiften die Luft mit Schwefel-
wasserstoff, schweflicher Säure und Schwefelsäure,
aber entsprechend den grösseren Gefahren hat
sich auch die Wachsamkeit verdoppelt und sind
die Abwehrmassnahmen vervollkommnet worden
Der Grund des Verderbens neuerer Gemälde
liegt also nicht bei den äusseren Feinden, sondern
den inneren Fehlern, die jene Gemälde gleichsam
als Geburtsfehler von ihren Erzeugern mitbe-
kommen. Wollen wir wieder gesunde Bilder be-
kommen, so muss wieder ein gesunder Grund ge-
schaffen werden und Sache der Museumsleitungen
ist es, der Verelendung des Handwerks entgegen-
zutreten.
Hierauf hinzuweisen ist Pflicht der für den
öffentlichen Besitz an Kunstwerken verantwort-
lichen Stellen, die heute nicht einmal in allen
Fällen imstande sind, Massregeln zu ergreifen, um
drohender Zerstörung von Malerwerken Einhalt
zu gebieten, weil sie die Fehlerquelle nicht
kennen, nicht wissen, wie das Gemälde aufgebaut
ist, auf welchem Grund, mit welchen Farben, wel-
chem Bindemittel und Malmittel es Gemalt, wann
und mit welchem Firnis es gefirnisst worden ist.
Alle diese Punkte sind aber von der grössten
Bedeutung für die Dauerhaftigkeit der Malerei;
die Fehler, die hierbei gemacht werden, wiegen
schwerer als die Einflüsse, welche die Zeit auf
den Zustand der Bilder ausüben kann.
Der Staat bezw. die Eigentümer der öffent-
lichen Galerien haben gleichzeitig die Möglichkeit,
auf die Gesundung der verfahrenen handwerklichen
Zustände einzuwirken und sie haben die Mittel in
der Hand, dieselbe dorchzuführen. In den von
ihnen erworbenen Gemälden lebender Meister
steht ihnen ein ausgezeichnetes Beobachtungs-
material zur Verfügung, an dem sich das Verhalten
und die Entwicklung der Malstoffe und der Mal-
verfahren feststellen lässt Jedoch können die
Bilder mit Erfolg nur dann zur Beobachtung heran-
gezogen werden, wenn bekannt ist, wie und mit
was der Künstler gearbeitet hat. Wäre dies
einwandfrei festgelegt, dann würden öffentliche
Galerien neben ihrem Hauptzweck, Werke von
bleibenden Wert zur Erbauung, zum Genuss und
zur Belehrung zu sammeln, auch der schaffenden
Zukunft dienen können, indem an ihren Gemälden
das Verhalten der Malstoffe studiert, die Güte
der verschiedenen Verfahren gegeneinander ab-
gewogen und damit die unbedingt notwendige
Gesundung unserer zerfahrenen handwerklichen
Ausübung herbeigeführt werden könnte.
^_ (Schluss folgt.)
Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann in Leipzig
Münchner kunsttechnische Blätter
‘Jfor. 17
anormaler Fettansammlung, wie sie in unästhe-
tischster Weise beim Fettsteiss der Hottentotten-
frauen in die Erscheinung tritt, kann diese Be-
weglichkeit des Beckens, die wir beim Weibe
sonst als Eigentümlichkeit gern hinnehmen, höchst
widerlich anmuten, und es kommt einem die
Anekdote in den Sinn, die von jenem phantasie-
begabten Laien erzählt, der bei der rückwärtigen
Betrachtung seiner Auserwählten an hüpfende
Kaninchen denkt.
Bildererhaltung durch Gesundung der
Malteehnik.
Ein Vorschlag von Dr. Walter Gr äff,
Konservator der bayerischen Staatsgemäldesammlungen,
Es/hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte
immer häufiger ergeben, dass Gemälde, die für
öffentliche Gemäldesammlungen — oft zu bedeu-
tenden Preisen —- erworben worden sind, schon
nach wenigen Jahren grosse, manchmal nicht zu
behebende Schäden aufgewiesen haben, Schäden,
die in der Regel auf technische Fehler beim Auf-
bau der Malerei zurückzuführen sind. Ein Gang
durch die Museen neuerer Malerei, ja sogar schon
durch die grossen Kunstausstellungen lässt uns
ähnliche Beobachtungen machen und es mussten
bereits moderne Bilder nur ihres schlechten Zu-
standes wegen vom Ankauf ausgeschlossen werden.
Besonders die Vertreter der modernen Malweisen,
die vielfach ohne gediegene Vorkenntnisse vom
Handwerk ihre Kunst betreiben, begünstigen diese
bedauerliche Tatsache trotz der Bemühungen, die
sich die Gesellschaft für rationelle Malverfahren,
einzelne Akaderhien und Lehrer zur Gesundung
der Technik geben mögen. Daher tragen viele
Bilder schon von Anfang an den Keim baldigen
Verfalls in sich.
Jährlich werden von den Einzelstaaten, den
deutschen Städten und den Museumseigentümern
bedeutende Summen für die Erhaltung der Kunst-
werke, ausgeworfen die Einrichtungen der Museen
werden tunlichst verbessert, um alle Schädlinge fern-
zuhalten, neue Museen werden auf Grund der Erfah-
rungen, die an älteren gemacht worden sind, mit
allen Mitteln zur Gesundhaltung ihres Inhalts aus-
gestättet. 1 emperatur- und Feuchtigkeitsmessungen
werden angestellt und alle erdenklichen Mass-
regeln zur Gesundung der vorhandenen Galerie-
räume getroffen; erfahrene Fachmänner beobachten
die Bilder und treffen beim Auftreten der ge-
ringsten Veränderung ihre Vorkehrungen, um
Schäden oder eine weitere Verschlimmerung des
Zustandes hintanzuhalten, aber trotzdem schreiten
die Verheerungen fort und das in unverhältnis-
massig stärkerem Masse bei modernen Bildern als
bei älteren und alten. Unser Nationalvermögen
iat dadurch jährlich grosse Einbussen zu ver-
zeichnen, was besonders unter den heutigen Ver-
hältnissen bedeutsam ins Gewicht fällt.
Sicherlich haben unsere Gemälde heute mehr
und gefährlichere Feinde, als sie jene vor hundert
Jahren hatten. Die Industrie und der Hausbrand
mit Steinkohlen vergiften die Luft mit Schwefel-
wasserstoff, schweflicher Säure und Schwefelsäure,
aber entsprechend den grösseren Gefahren hat
sich auch die Wachsamkeit verdoppelt und sind
die Abwehrmassnahmen vervollkommnet worden
Der Grund des Verderbens neuerer Gemälde
liegt also nicht bei den äusseren Feinden, sondern
den inneren Fehlern, die jene Gemälde gleichsam
als Geburtsfehler von ihren Erzeugern mitbe-
kommen. Wollen wir wieder gesunde Bilder be-
kommen, so muss wieder ein gesunder Grund ge-
schaffen werden und Sache der Museumsleitungen
ist es, der Verelendung des Handwerks entgegen-
zutreten.
Hierauf hinzuweisen ist Pflicht der für den
öffentlichen Besitz an Kunstwerken verantwort-
lichen Stellen, die heute nicht einmal in allen
Fällen imstande sind, Massregeln zu ergreifen, um
drohender Zerstörung von Malerwerken Einhalt
zu gebieten, weil sie die Fehlerquelle nicht
kennen, nicht wissen, wie das Gemälde aufgebaut
ist, auf welchem Grund, mit welchen Farben, wel-
chem Bindemittel und Malmittel es Gemalt, wann
und mit welchem Firnis es gefirnisst worden ist.
Alle diese Punkte sind aber von der grössten
Bedeutung für die Dauerhaftigkeit der Malerei;
die Fehler, die hierbei gemacht werden, wiegen
schwerer als die Einflüsse, welche die Zeit auf
den Zustand der Bilder ausüben kann.
Der Staat bezw. die Eigentümer der öffent-
lichen Galerien haben gleichzeitig die Möglichkeit,
auf die Gesundung der verfahrenen handwerklichen
Zustände einzuwirken und sie haben die Mittel in
der Hand, dieselbe dorchzuführen. In den von
ihnen erworbenen Gemälden lebender Meister
steht ihnen ein ausgezeichnetes Beobachtungs-
material zur Verfügung, an dem sich das Verhalten
und die Entwicklung der Malstoffe und der Mal-
verfahren feststellen lässt Jedoch können die
Bilder mit Erfolg nur dann zur Beobachtung heran-
gezogen werden, wenn bekannt ist, wie und mit
was der Künstler gearbeitet hat. Wäre dies
einwandfrei festgelegt, dann würden öffentliche
Galerien neben ihrem Hauptzweck, Werke von
bleibenden Wert zur Erbauung, zum Genuss und
zur Belehrung zu sammeln, auch der schaffenden
Zukunft dienen können, indem an ihren Gemälden
das Verhalten der Malstoffe studiert, die Güte
der verschiedenen Verfahren gegeneinander ab-
gewogen und damit die unbedingt notwendige
Gesundung unserer zerfahrenen handwerklichen
Ausübung herbeigeführt werden könnte.
^_ (Schluss folgt.)
Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann in Leipzig