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München, 7. Juni 1920
Ssiags zur „Werkstatt 4er Knast“ (L A. Ssesaas, Leipzig).
ErtsteM 14tägig. Begründet van Maler Frei Ernst Berger.
XVI. Jahrg, Mr. 17
Inhalt: Die Grundlagen der Farbkunde und der Farbkunst. Von Wilhelm Ostwald. (Schluss.) — Vom weiblichen
Becken. Von Artur Götze, Niederlössnitz. — Bildererhaltung durch Gesundung der Maltechnik. Von
Dr. Walter Gräff.
Die Grundlagen der Farbkunde und der Farbkunst.
Von Wilhelm Ostwald.
(Schluss.)
Denn eine jede Harmonie hat zur Voraus-
setzung und Bedingung eine gesetzmässige Be-
ziehung zwischen den Elementen, aus denen
sie sich zusammensetzt. Da in jenen Dreiecken
und Kreisen die grundlegenden Gesetze des Far-
benzusammenhanges zur Darstellung kommen, so
finden sich auch notwendig in ihnen die Harmo-
nien vorgebildet, sie brauchen nur herausgear-
beitet zu werden.
Im farbtongleichen Dreieck finden sich jene
Harmonien, die wir Ton-in-Ton, die Franzosen
camayeu nennen, und zwar werden sie in erster
Linie von den Schattenreihe n gebildet; ausser-
dem kann man sie aus Weissgleichen und Schwarz-
gleichen herstellen. Sie unterliegen den gleichen
Gesetzen, die früher für graue Harmonien aufge-
stellt worden sind. Denn die Graureihe ist ja
auch eine Schattenreihe.
In den gleichwertigen Farbkreisen finden
sich die grundlegenden Harmonien verschie-
denen Farbtons, von deren Gegenfarben bis zu
den Uebergängen. Letztere werden vielleicht
von der künftigen Farbkunst ebenso aufgegeben
werden, wie das in der Tonkunst geschehen ist.
Durch Teilung des Farbkreises nach 2, 3, 4 usw.
gleichabständigen Punkten erlangt man bunte Har-
monien, die einzigen, um die man sich bisher
theoretisch gekümmert hat. Da aber die Be-
dingung der Gleichwertigkeit bisher weder be-
kannt noch hergestellt werden konnte, so musste
die Harmonielehre oder die von Goethe gefor-
derte Generalbasslehre der Farbkunst ein eben-
so dringender, wie unerfüllter Wunsch bleiben.
Die Erfahrung zeigt nun, dass sich die Farb-
harmonien von den Tonharmonien grundsätzlich
dadurch unterscheiden, dass sie gegen Abweich-
ungen von den genauen Verhältnissen unvergleich-
lich weniger empfindlich sind, als diese. Die Ur-
sachen davon lassen sich nachweisen, sollen aber
hier nicht erörtert werden. Deshalb bestehen
auch bezüglich der harmonischen Wirkung viel
geringere Unterschiede zwischen genau einge-
stellten einfachen Verhältnissen und weniger ein-
fachen.
Ein zweiter wesentlicher Unterschied liegt
darin, dass zwar für Töne allgemein kein abso-
lutes Gedächtnis besteht, wohl aber für Farben.
Deshalb klingt ein Tonstück, das etwa von C-Dur
nach D-Dur transponiert wurde, nicht viel anders,
während eine farbige Harmonie z. B. über einen
Viertelkreis ganz verschieden aussieht, je nach
der Lage des Ausgangspunktes, wie z. B. Gelb,
Rot, Veil, Eisblau, Laubgrün, Kress usw.
Tatsächlich lassen sich je nach Umständen
beinahe alle Farben eines gleichwertigen Farb-
kreises nebeneinander verwenden. Die so ent-
stehenden Paare sind sehr zahlreich, jeder Farb-
kreis gibt rund zweihundert gute Verbindungen her.
Aus den Zweiern entstehen Dreier, indem
man aus dem gleichwertigen Kreise eine dritte
Farbe in gleichem Abstande wie die beiden er-
sten anfügt. Auf gleiche Weise gewinnt man
Vierer usw. Es muss noch untersucht werden,
ob solche mehrfache Harmonien besser sind, bei
denen die äussersten Glieder in einfachem \rer~
hältnis zum Ganzkreise stehen. Die Zahl der
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München, 7. Juni 1920
Ssiags zur „Werkstatt 4er Knast“ (L A. Ssesaas, Leipzig).
ErtsteM 14tägig. Begründet van Maler Frei Ernst Berger.
XVI. Jahrg, Mr. 17
Inhalt: Die Grundlagen der Farbkunde und der Farbkunst. Von Wilhelm Ostwald. (Schluss.) — Vom weiblichen
Becken. Von Artur Götze, Niederlössnitz. — Bildererhaltung durch Gesundung der Maltechnik. Von
Dr. Walter Gräff.
Die Grundlagen der Farbkunde und der Farbkunst.
Von Wilhelm Ostwald.
(Schluss.)
Denn eine jede Harmonie hat zur Voraus-
setzung und Bedingung eine gesetzmässige Be-
ziehung zwischen den Elementen, aus denen
sie sich zusammensetzt. Da in jenen Dreiecken
und Kreisen die grundlegenden Gesetze des Far-
benzusammenhanges zur Darstellung kommen, so
finden sich auch notwendig in ihnen die Harmo-
nien vorgebildet, sie brauchen nur herausgear-
beitet zu werden.
Im farbtongleichen Dreieck finden sich jene
Harmonien, die wir Ton-in-Ton, die Franzosen
camayeu nennen, und zwar werden sie in erster
Linie von den Schattenreihe n gebildet; ausser-
dem kann man sie aus Weissgleichen und Schwarz-
gleichen herstellen. Sie unterliegen den gleichen
Gesetzen, die früher für graue Harmonien aufge-
stellt worden sind. Denn die Graureihe ist ja
auch eine Schattenreihe.
In den gleichwertigen Farbkreisen finden
sich die grundlegenden Harmonien verschie-
denen Farbtons, von deren Gegenfarben bis zu
den Uebergängen. Letztere werden vielleicht
von der künftigen Farbkunst ebenso aufgegeben
werden, wie das in der Tonkunst geschehen ist.
Durch Teilung des Farbkreises nach 2, 3, 4 usw.
gleichabständigen Punkten erlangt man bunte Har-
monien, die einzigen, um die man sich bisher
theoretisch gekümmert hat. Da aber die Be-
dingung der Gleichwertigkeit bisher weder be-
kannt noch hergestellt werden konnte, so musste
die Harmonielehre oder die von Goethe gefor-
derte Generalbasslehre der Farbkunst ein eben-
so dringender, wie unerfüllter Wunsch bleiben.
Die Erfahrung zeigt nun, dass sich die Farb-
harmonien von den Tonharmonien grundsätzlich
dadurch unterscheiden, dass sie gegen Abweich-
ungen von den genauen Verhältnissen unvergleich-
lich weniger empfindlich sind, als diese. Die Ur-
sachen davon lassen sich nachweisen, sollen aber
hier nicht erörtert werden. Deshalb bestehen
auch bezüglich der harmonischen Wirkung viel
geringere Unterschiede zwischen genau einge-
stellten einfachen Verhältnissen und weniger ein-
fachen.
Ein zweiter wesentlicher Unterschied liegt
darin, dass zwar für Töne allgemein kein abso-
lutes Gedächtnis besteht, wohl aber für Farben.
Deshalb klingt ein Tonstück, das etwa von C-Dur
nach D-Dur transponiert wurde, nicht viel anders,
während eine farbige Harmonie z. B. über einen
Viertelkreis ganz verschieden aussieht, je nach
der Lage des Ausgangspunktes, wie z. B. Gelb,
Rot, Veil, Eisblau, Laubgrün, Kress usw.
Tatsächlich lassen sich je nach Umständen
beinahe alle Farben eines gleichwertigen Farb-
kreises nebeneinander verwenden. Die so ent-
stehenden Paare sind sehr zahlreich, jeder Farb-
kreis gibt rund zweihundert gute Verbindungen her.
Aus den Zweiern entstehen Dreier, indem
man aus dem gleichwertigen Kreise eine dritte
Farbe in gleichem Abstande wie die beiden er-
sten anfügt. Auf gleiche Weise gewinnt man
Vierer usw. Es muss noch untersucht werden,
ob solche mehrfache Harmonien besser sind, bei
denen die äussersten Glieder in einfachem \rer~
hältnis zum Ganzkreise stehen. Die Zahl der