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Deutscher Museumsbund [Mitarb.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 1.1905

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Koetschau, Karl: Die Wiener Verhandlungen über die Erhaltung von Kunstgegenständen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69241#0062

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Koetschau, Die Wiener Verhandlungen über die Erhaltung von Kunstgegenständen

die erste Oktoberhälfte einberief, durfte man hoffen, daß hier die Organisation
der Arbeit vollzogen werden würde. Dazu war man um so mehr berechtigt, als
die Einladung zunächst nur die Erhaltung organischer Stoffe berücksichtigte, die
der anorganischen aber auf später verschob. Es schien also ein wohldurchdachtes
Programm vorzuliegen, das sich über den großen Umfang des Stoffes klar war
und ihn deshalb weise teilte. Als dann in einem zweiten Schreiben einige Vor-
träge genannt, von dem »Entwurf für ein Vorschriftennormale zum Schutze alter
Kunstgegenstände und geschichtlicher Denkmäler, vorgelegt durch die Zentral-
kommission«, gesprochen, und die »Feststellung und Verteilung der weiteren
Arbeiten und der hierzu nötigen Versuche und Mittel« schließlich in Aussicht
gestellt wurde, da freute sich wohl jeder ernste Arbeiter, daß sich nunmehr eine
Behörde gefunden habe, die mit frischer Unternehmungslust der allzu lange ver-
nachlässigten Sache sich anzunehmen, alle Kräfte für sie zu sammeln und diese
zu führen bereit war.
Hatte ich im Eifer für den Gegenstand und in freudig anerkennender Be-
wertung der Tätigkeit einer Behörde wie der Zentralkommission meine Erwartungen
zu hoch gespannt gehabt? Hatte ich zu viel gefordert, wenn ich eine umsichtige
Vorbereitung für ein derartig wichtiges Unternehmen als Grundbedingung für
dessen Gelingen voraussetzte? Ich kann es nicht glauben, obwohl mich der Ver-
lauf der Wiener Verhandlungen, ich kann nur sagen, verblüffte und an der Be-
rechtigung meiner Annahmen zunächst irre machte. Aber ich meine, wie mir wird es
auch anderen Teilnehmern ergangen sein. Wohl hat es nicht an Anregungen
gefehlt — wie schlimm wäre es auch gewesen, wenn sie bei einer Vereinigung
so vieler tüchtiger Gelehrten ganz ausgeblieben wären! —, wohl wurde eine Un-
summe von Fleiß und emsiger Forscherarbeit in Bolles Vortrag über die tieri-
schen Schädlinge der Stoffe, eine Fülle aufmerksamster Beobachtungen in den
Mitteilungen Lessings und Luschans den Hörern übermittelt, aber zu einer
internationalen Organisation der Arbeit, die man unbedingt anstreben mußte,
kam es nicht. Was schließlich erreicht wurde, war die Aufstellung einer Kom-
mission für Konservierungsfragen innerhalb der österreichisch-ungarischen Mon-
archie mit besonderer wienerischer Färbung. Und selbst sie erweckte in dem
ruhigen Beurteiler nur den Eindruck, als habe man sie noch eiligst durchgesetzt,
damit der Kongreß wenigstens ein positives Ergebnis aufzuweisen habe. Möchte
ich mich täuschen! Aber es genügt nicht, daß die Behandlung so wichtiger
Dinge zwischen Grenzpfähle eingezwängt wird. Wenn z. B. der beste Sach-
verständige in der Behandlung von Wandteppichen in Schweden, ein anderer, der
die reichsten Erfahrungen auf dem Gebiet der Textilkunst machen konnte, in
Berlin seinen Sitz hat, um von anderen zu schweigen, wie kann man dann auf
ihre unmittelbare Teilnahme verzichten? Sie gelegentlich, wenn man nicht mehr
weiter kann, zu fragen, damit ist es doch wahrlich nicht getan. Gerade in Öster-
 
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