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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 41.1881

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Ludwig Vogel, Kunstmaler von Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.43132#0009
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machte er in einer Broschüre5) den Vorschlag, von dieser Summe 100,000 Gulden 100 Jahre lang
am Zins liegen zu lassen und so einen Fideikommissfond von über 5 Millionen zu bilden, aus
welchem die Stadt Zürich mit dem Jahr 1919 eine Reihe, seltsamer Weise bis in’s Detail zum Voraus
bestimmter, gemeinnütziger Unternehmungen und wohlthätiger Stiftungen in’s Leben rufen könnte. Eine
solche Kapitalisirung beliebte freilich nicht. Die Dringlichkeit der vorgeschlagenen Unternehmungen
erkannte aber schon die nächste Generation, welche in rascher Folge einen Theil derselben ausführte. —
Der ebenso wohlwollende als verständige Sinn des Mannes kam namentlich während der Revolutionszeit
vielen seiner Mitbürger zu gute, deren Berather er war; am schönsten aber bewährte er sich in seinem
Verhältniss zum Sohn, der seine Entwicklung wesententlich dem freien Geiste des Vaters dankt.
Die Mutter war eine geistig regsame, vor Allem aber herzensgute, wohlthätige Frau. Das Familien-
buch weist z. B. für sie und ihren Mann nicht weniger als achtzig Patlienkinder auf.
Als Dr. Schlosser aus Frankfurt, ein Freund Ludwig Vogels, einige Tage im elterlichen Hause
desselben zugebracht hatte, schrieb er ihm, die Mutter sei bis auf den Grund nur Wohlwollen; und vom
Vater: «man glaubt, dass man nicht ganz schlecht sein könne, wenn man sieht, dass Er einem etwas
gut ist. » Darum hieng denn auch der Sohn mit ganz seltener Pietät an seinen Eltern bis in ihr höchstes
Alter. Die Mutter starb 1841 in ihrem 77., der Vater 1849 in seinem 89. Altersjahre. Beide erlebten
also noch die bedeutendsten Bilder, die ihr Sohn schuf, und die Verehrung, mit der sein Name im ganzen
Vaterland genannt ward.
Das diesen Blättern Vorgesetzte Bild, von Ludwig Vogel 1820 gefertigt, zeigt uns mit unmittelbarer
Lebendigkeit den ernsten, gedankenvollen, meist schweigsamen Vater, die bewegliche, vom Glück strahlende
Mutter mit dem blühenden Sohn und seiner anmuthigen, jungen Gattin.

Ludwig Vogel verriet schon in frühester Jugend einen lebhaften Trieb zum Zeichnen. Gegenstände
aus seiner Umgebung oder aus seiner Phantasie zu Papier zu bringen, war ihm ein Vergnügen, das er
jedem andern Spiel oder Zeitvertreib vorzog6). Daher der Vater ihm schon in seinem sechsten Jahre
Unterricht in dieser Uebung ertheilen liess. Noch hat sich ein Blättchen erhalten mit der Bemerkung:
«1794 Septbr. 15. Meine erste Unterrichtsstunde im Zeichnen.» Es sind freilich völlig kindische Striche,
aus denen kaum jemand eine künstlerische Befähigung herauslesen dürfte. Die Jahre 1798 und 1799
mit ihrem Wechsel Französischer, Oestreichischer und Russischer Armeen und mit den blutigen Szenen,
deren Schauplatz Zürich wurde, mögen wohl die Phantasie des Knaben angeregt haben, doch sind die
Skizzen und illuminirten Blätter, die sich hierauf beziehen, noch durchaus ohne charakteristische Auf-
fassung und in der Ausführung auffallend schwach. Dagegen weisen einzelne Zeichnungen nach Vorlagen
aus dieser und der nächsten Zeit7) einen tüchtigen Fortschritt in der Technik auf.
Seinen Schulunterricht genoss der junge Ludwig zuerst, wie es scheint, bei einer Frau Weber, die
ihre Lektionen in der «Nachtschlutte» ertheilte, hierauf im Rusterholzischen Erziehungsinstitut auf
dem Rietli8). Dann aber schickte ihn der Vater nach Aarau an die neugegründete Kantonsschule, die
sich damals eines grossen Rufes erfreute. Zu diesem Entschlüsse mochte auch die Beobachtung mit-
wirken, dass der äusserst sensible, weiche Knabe, als einziges Kind vielleicht Gefahr laufe, im Eltern-
hause verzärtelt zu werden. Denn in der Tliat war das Verhältniss zwischen den Eltern und ihrem
Liebling ein eigenthümlich inniges, wovon alle Briefe, die sie wechselten, Zeugniss geben. Der Vater
 
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