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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 42.1882

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Beilage A (zu pag. 5)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43133#0056
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Berka, den 22. August 1817.

Beilage A (zu pag. 5).

Ihr mir sehr werther Brief, lieber Freund, nebst dem von ihnen radirten Umriss ihres Gemäldes
vom Heimzuge der Schweitzer haben mich nicht in Weimar, sondern in einem 2 Stunden davon liegenden
Landstädtchen Namens Berka angetroffen, wohin ich mich habe begeben müssen, um Geschwulst und
Krämpfe im Hals wo möglich durch Bäder zu kuriren: in dieser Einsamkeit und bey einigem wiewohl
allmählig sich minderndem Uebel sind mir beyde von ungemeinem Trost gewesen, indem sie mich an-
genehm unterhalten, mir die schönen Tage, welche ich bey ihnen in ihrem Hause verlebt, in’s Gedächtniss
zurückgerufen und mit einem Wort die Erinnerung an Sie und viele liebe Bekannte und Freunde, welche
ich im Vaterland habe, auf’s neue erfrischt; daher danke ich ihnen von ganzem Herzen und will, so gut
das in Briefen angeht, antwortend auf manches, was sie berühren, mich hier ganz offen und aufrichtig
und freundlich gegen sie auszusprechen suchen.
Der von ihnen radirte kleine Umriss ihres Gemäldes ist recht hübsch gerathen und wird immer
ein schätzbares Blatt bleiben. Allerdings würde durch die Bearbeitung eines Kupferstechers der eigen-
thümliche Geist nicht in dasselbe gekommen seyn. Ich hätte nur gewünscht, dass dieses Bild recht im
Publicum verbreitet würde und masse mir sicher kein Urtheil über des wackern Pfeilschifters « Zeit-
schwingen » an, weil ich dieselben noch nicht gesehen, fürchte aber, dass dieses Blatt, indem es noch
neu ist, wenigstens jetzt keine grosse Breite einnimmt. Von meiner Seite soll mit Treue und Liebe
schriftlich hinzugethan werden, was ich vermag. Ueber das Detail theils des radirten Blattes, theils
einzelner Stellen der Komposition, hätte ich ihnen sehr vieles und grosses zum Lob, einiges wenige auch
zu sagen oder vielmehr in’s Bedenken zu stellen, ob es nicht anders seyn könnte. Wo ist ein Kunst-
werk, gegen das man gar keine Einwendungen zu machen fände? Aber ich wiederhole, was ich schon
öfters ausgesprochen, kein neuentstandenes Werk von solchem Kerngehalt der Gedanken ist mir je vor-
gekommen. Fügte der Himmel, dass wir uns wiedersähen, so würde es ein Stoff langer und vielleicht
für Beyde nützlicher und angenehmer Unterhaltung seyn, alles Lobwürdige und alles, wogegen sich allen-
falls Einwendungen machen lassen, recht tief zu erwägen und auseinander zu setzen: Schriftlich fällt
dergleichen freylick zu weitläufig und muss unterlassen werden; genug, ich versichere mit aller Auf-
richtigkeit, dass jetz, nachdem ich den Umriss mit Ruhe und Müsse auf’s allergenaueste durchgesehen,
meine gute Meinung noch immer so gut ist als da ich das Werk bey Ihnen vor 3V2 Jahren zuerst er-
blickt und darüber in eine angenehme Verwunderung gerathen bin.
Ich begleite sie in Gedanken auf ihrem Zug nach den Gebirgen der innern Schweiz; fast kann ich
mich nicht enthalten, sie auch zu beneiden. Wie heiter und wie froh fühlt man sich auf jenen Alpen-
höhen, in jenen stillen Thälern; wie hebt sich das Gemüth, wie aller äussern Besorgniss und Noth, alles
Unfriedens entledigt; aber ich bin bereits zu weit an Jahren vorgerückt, um dergleichen Genuss noch
hoffen zu können, möchte ein günstiges Geschick mir nur erlauben, wenigstens meine Tage im Angesichte
der hohen Firnen, das will sagen im Vaterlande, zu beschliessen. Es scheint mir ein glücklicher Ge-
danke, den sie gefasst, so ein Aelpler-Schwingfest zu mahlen; der Gegenstand hat Gehalt und kann ent-
 
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