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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

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Nro. 10 - Nro. 17 (4. Februar - 28. Februar)
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30

Beduinen beſchloſsen, und’ nun entſtand ein so ent- g

menſchtes Mordgemegel, dem weder Frauen, noch

Kinder, noch Greiſe entginzen, daß mich bei der Er-

innerung noch ein tiefer Schauder ergreife.

Ich war unter den Vorderſten meiner Voltiz
geur =Compagnie — begreiſlich mehr um Unheil zu
hindern, als sſelbſt zu stiften. So drang ich in das
steinerne Haus eines Kars, welches ſich dadurch als
die Wohnung des Scheikh verrieth. Meine Voltis
geurs hatten schon die leicht gezimmerte Thür einge-
ſloßen, und drangen mit dem Geschrei: »3um Ha-
rem + zum Hareml« hinein.«

»Der Scheikh Ben- Muſſa« ~raunte mir ein

alter Sergeant mit einem ausgetrockneten Faunen-
lächeln zu - »ſoll eine wahre Schönheit zur Tochter
haben ~ die Blume der Wüſle ~ wie man die ſcho-
ne Ambra neunt – ~~ das wäre so ein hubſches
Meuble für ein Capitainszell. $ ~ he –~ he ~
junger Herr ~~ was erhalte ich als Kuppelpelz ?«

~ Augendlicklich war ich entſchloſſen, das Mäd-
chen zu retten, denn plündernde Soldaten in Wuth
und aufgeregter Leidenschaft kennen keine Grenzen
der Menſchlichkeit.

. Zehn Napoleonsd’or ſiud Dein, rief ich, aber
halte mir diese rohen Gesellen vom Leibe.

~ »Ich werde ſie irre führen ~ Ihr aber, Cas
pitain, ſchlupft hinter diesen Vorhang, ein enges
Treppchen fuhrt dort hinauf in das Frauengemach;
ich kenne die Einrichtung dieser Hauſer.«

— Ñ Ich folgte seinem Rath, während er die Ca-
meraden in die untern Gemächer fuhrte, wo, wie
er ſchwor , die Schätze des Scheikhs liegen ſollten.
Doch einige hatten meine Entfernung bemerkt und
waren mit gefälltem Bajonett mir gefolgt, Deſto
raſcher eilte ich hinauf. So -- mit ihnen zugleich
~~ betrat ich ein kleines Gemach, das mit orien-
taliſchem Luxus ausgeſtattet war. Auf einem per-
ſiſchen Teppich, an Polfler gelehnt, welche mit
Perlen geflickt waren, saß ein weibliches Wesen un-
beweglich; es war ſo verhüllt, durch ein weites
türkiſches Obergewand und einen dichten Doppel-
ſchleier, daß cs nicht möglich war,, weder die Gez
ſtalt, uoch das Alter dieses Wesens zu erkennen.
Unter dem Schleier ſchimmerten ein Paar wunder-
ſchöne, bis zur Achsel entblößte und mit goldnen
Spangen und reichen Inwelen geſchmückte Arme,
die ſie uber die Bruft gekreuzt hatte. Ihr Haupt
war demuthig geneigt, wie es ſchien, hauchte ſie
mit bebenden Lippen das Wort : »Aman ~ Amanla
(Gnade ~~ Gnade!) und »Aman Amanl« ſtöhn-
ten die vier Selaoinnen nach, die mit ihren Ges-
ſichtern auf dem Boden lagen.

~ Sie ſteht unter meinem Schuß — rief ich,
die Klinge meines Säbels über ihr Haupt aus-
ſtreckend ~ und jetzt hob ſie den Kopf, und über
den dichten Schleier hinweg, der den untern Theil
ihres Geſichts bedeckte, ftrahlte aus ihren dunkel-
ſchwarzen Augen ein Blick mich an, der wie Funsz
fen das feine Gewebe ihres Schleiers durchbrach.



~ Du weißt, Victor, daß ich ſchon in Tübin-
gen die arabiſche und mauriſche Sprache mit Vore
liebe fludirt habe, weil immer ſchon eine Poeſie der
Romantik, die in meinem Gemüthe lebte, mich
hinzog ~ nach dem Süden. – Eine Wallfahrt
nach dem maurischen Wunderpalaſt Al- Ambra ~
im herrlichen Granada ~ gehörte von jeher zu
meinen Lieblingsplänen ~ nun bin ich der Quelle
noch naher gekommen.

~ Doch weiter!

Den mit mir eingezogenen Soldaten warf
ich nieine Börſe zu und ſie zogen ab.
. © Wer bitt Du, geheimnißvolles Weſen ~
ſprach ich —~ biſt Du die, welche die. Verehrung
der Araber die Blume der Wüſte nennt?

M »Ta, Ambra, des Scheiths Ben = Muſſa
Tochter.« js

~ Felge mir, ich werde Dich ſchütßen. Ich darf
Dich hier nicht zurücklafsen; Du würdeft dann in
die Hände der rohen Soldaten fallen. z

~ »Gett iſt groß, ich bin Deine Sclainue e

ſprach ſie, erhob 'ich, kniete nieder und wiegte ihr
Antlitz auf dem Teppich.

~ Trog der verhüilenden Kleidung geschah diese
Bewegung doch mit fo vieler Anmuth und Leichtig-
keit, und ſchon im Ton ihrer Stimme lag eine so
reizende Demuth, daß ich den Wunſch uicht uns
terdrücken konnte, das himmliſche Wesen zu ſehen,
das ſchon durch die Aufregung der Phantaſie mich
ſo bezaubert hatte. stht {ct

~ Ohne zu bedenken, wie ich das Zartgefühl ei-
ner Orientalin dadurch verletzen würde , bat ich ſie,
mir das Glück zu gewahren, sie entſchleiert schen
zu dürfen – indem ich ſie zugleich vom Boden
aufhob.

~ Das Mädchen bebte unter meinen Händen,
einen Augenblick stand ſie unentſchlüſſig da, dann
hauchte ſte ‘leife:' » Du biſt mein Herr D ich bin
Deine Sclavin.c«

mr Daxf ich?. -. fragte ..ich. fafl bebend. in ger
ſpannter Erwartung, und hob mit den Fingerſpiz
ten ganz leiſe ihren Schleier. [ 49i

~ »Du darfst was Dir beliebt, entgegnete ſie
und senkte den Kopf ; denn ich bin Deine Sclavin
t und Du biſt mein Herr.« : .

-~ Der Augenblick drängte & mein Blut wallte
~ Schleier und Mantel fielen und ſie ſtand vor
mir.

~ „Ei - gratulire, lachte Victor, man kennt
den Gefchmack der Orientalen ~ dick und fett &
mit ſchwarz geringelten Augen, mit roſenroth durch
Henneh gefärbten Nägeln an Händen und Fußen
—~ Du wirſt Dich verwundert haben, mein Iunge!
Ha, har; hal!es

~~ Nichts von dem Allen ~ wäreſt Dn ein Dich-

ter, Victor, und hätteſt in der höchſten Weihes

stunde poetiſcher Begeiſlerung von Mohammeds
Paradiese geträumt + fo würde eines der dort els
fenleicht ſchwebenden Mädchen, die aus Duft und
 
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