68 II. Buch Bevoͤlker der Chamiten. II. Hauptſt. Von Phonicien.
Geſchichte. L. 27. Dieſe Prinzeſſin ſoll ſehr klug · und aus nehmend ſchon geweſen
der Euro⸗ ſeyn. Einige Kaufleute welche von der Inſel Creta an die phoͤniciſche Kuͤſte
pa⸗ gekommen waren, ſahen dieſes junge Frauenzimmer. Die reizende Anmuth
derſelben verblendete ſie; ſie entſchloſſen ſich dieſe Schoͤne, als die koſtbarſte
Waare, die ſie in Phoͤnicien gefunden, mit ſich zu nehmen, und dieſelbe ihrem
Koͤnig Aſterius zuzufuͤhren. Das Schiff „worauf ſie mit derſelben nach Haus
ſegelten, ſtellte an dem Vordertheil einen weiſſen Stierskopf vor, und fuͤhrte
aauch wohl, wie es damals ſchon die Gewohnheit war ), den Namen da-
von (30). Sie kamen durch die Mündung des Fluſſes Lethaͤus gluͤcklich
ö bey Gortyna auf der Inſel Creta an o). Aſterius nahm dieſe Prinzeſſin
zu ſeiner Gemahlin, und zeugte mit derſelben den Minos, Sarpedo und Rha-
damanthus 5). Auf ſolche Weiſe widerfuhr den Phoͤniciern eben dasjenige,
was ſie vorher an den Argivern begangen hatten. Weil dergleichen Entfuͤhrun-
gen zwiſchen den Griechen und den Aſiern in den folgenden Zeiten fortgeſetzet
und faſt zur Mode wurden; ſo brach endlich die Verbitterung dieſer Voͤlker
gegen einander in ſolche Kriege aus, die auf beyden Seiten viel Blut koſte-
ten, und einen 2 . Hab iwiſchen den Griechen und Perſern er-
weckten 7).
Fabel da⸗ . 28. Die Grechen waren nicht gewohnt, eine e Begebenheit ſchlch!⸗ ö
von. weg und auf eine natuͤrliche Art zu erzaͤhlen ſie ſchmuͤckten daher, um die
Enͤtfuͤhrung der Europa recht wunderbar vorzuſtellen, alle Umſtaͤnde, die dabey
vorgefallen, mit ſolchen Maͤhrchen aus, daß man kaum das Wahre von
dem Fabelhaften unterſcheiden kann. Weil der cretiſche Koͤnig Aſterius ſich
Jupiter nennen lies; ſo hieß es, daß Jupiter ſelbſt ſich in die Europa verliebt,
und dem Mercur befohlen haͤtte, ſie an das Ufer des Meers zu locken: er
haätte ſich darauf, als ſolches geſchehen, in einen weiſſen Stier verwandelt, die
Prinzeſſin auf ſeinen Ruͤcken genommen, und waͤre mit derſelben nach der Inſel
Creta geſchwommen v). Weil auch itzt gemeldter Lethaͤusfluß mit jederzeit
gruͤnenden Ahornbaumen beſekt n war: ſo dichteten ſie ferner/ dab unter einem
dieſer
(30 Es iſt daher nicht noͤthig, mit legenhett gegeben habe. Bochart Canaan. Iib.
dem Palaͤphatus de rebus incred. dafuͤr zu I. cap. 28. glaubt, daß das phoͤniciſche
halten, daß ein cretiſcher Schiffhauptmann Wort Alpha oder Ilpha, welches beydes
mit Namen Taurus oder Stier, die Europa ein Schiff und einen Ochſen bedeutet, die
entfuͤhret und zu der Fabel von der Ver⸗ Griechen, welche letztere Bedeutung fuͤr die
wandtung des Jupiters in dieſes Thier Se⸗ erſtere genommen, dazu verleitet habe.
n) Siehe Reiſegeſch. Th. 1. S. 268. 6. 4. Herodor. loc. eit. ö
) Solinus, cap. 11. +) Ovid. Metam. lib. 2. nan o 178.
p) Ecbemenes ap. Bonier, vohar tom. 6. Diod. Sic. Iib. 4. ö
lb. I. cap. 7. x
Geſchichte. L. 27. Dieſe Prinzeſſin ſoll ſehr klug · und aus nehmend ſchon geweſen
der Euro⸗ ſeyn. Einige Kaufleute welche von der Inſel Creta an die phoͤniciſche Kuͤſte
pa⸗ gekommen waren, ſahen dieſes junge Frauenzimmer. Die reizende Anmuth
derſelben verblendete ſie; ſie entſchloſſen ſich dieſe Schoͤne, als die koſtbarſte
Waare, die ſie in Phoͤnicien gefunden, mit ſich zu nehmen, und dieſelbe ihrem
Koͤnig Aſterius zuzufuͤhren. Das Schiff „worauf ſie mit derſelben nach Haus
ſegelten, ſtellte an dem Vordertheil einen weiſſen Stierskopf vor, und fuͤhrte
aauch wohl, wie es damals ſchon die Gewohnheit war ), den Namen da-
von (30). Sie kamen durch die Mündung des Fluſſes Lethaͤus gluͤcklich
ö bey Gortyna auf der Inſel Creta an o). Aſterius nahm dieſe Prinzeſſin
zu ſeiner Gemahlin, und zeugte mit derſelben den Minos, Sarpedo und Rha-
damanthus 5). Auf ſolche Weiſe widerfuhr den Phoͤniciern eben dasjenige,
was ſie vorher an den Argivern begangen hatten. Weil dergleichen Entfuͤhrun-
gen zwiſchen den Griechen und den Aſiern in den folgenden Zeiten fortgeſetzet
und faſt zur Mode wurden; ſo brach endlich die Verbitterung dieſer Voͤlker
gegen einander in ſolche Kriege aus, die auf beyden Seiten viel Blut koſte-
ten, und einen 2 . Hab iwiſchen den Griechen und Perſern er-
weckten 7).
Fabel da⸗ . 28. Die Grechen waren nicht gewohnt, eine e Begebenheit ſchlch!⸗ ö
von. weg und auf eine natuͤrliche Art zu erzaͤhlen ſie ſchmuͤckten daher, um die
Enͤtfuͤhrung der Europa recht wunderbar vorzuſtellen, alle Umſtaͤnde, die dabey
vorgefallen, mit ſolchen Maͤhrchen aus, daß man kaum das Wahre von
dem Fabelhaften unterſcheiden kann. Weil der cretiſche Koͤnig Aſterius ſich
Jupiter nennen lies; ſo hieß es, daß Jupiter ſelbſt ſich in die Europa verliebt,
und dem Mercur befohlen haͤtte, ſie an das Ufer des Meers zu locken: er
haätte ſich darauf, als ſolches geſchehen, in einen weiſſen Stier verwandelt, die
Prinzeſſin auf ſeinen Ruͤcken genommen, und waͤre mit derſelben nach der Inſel
Creta geſchwommen v). Weil auch itzt gemeldter Lethaͤusfluß mit jederzeit
gruͤnenden Ahornbaumen beſekt n war: ſo dichteten ſie ferner/ dab unter einem
dieſer
(30 Es iſt daher nicht noͤthig, mit legenhett gegeben habe. Bochart Canaan. Iib.
dem Palaͤphatus de rebus incred. dafuͤr zu I. cap. 28. glaubt, daß das phoͤniciſche
halten, daß ein cretiſcher Schiffhauptmann Wort Alpha oder Ilpha, welches beydes
mit Namen Taurus oder Stier, die Europa ein Schiff und einen Ochſen bedeutet, die
entfuͤhret und zu der Fabel von der Ver⸗ Griechen, welche letztere Bedeutung fuͤr die
wandtung des Jupiters in dieſes Thier Se⸗ erſtere genommen, dazu verleitet habe.
n) Siehe Reiſegeſch. Th. 1. S. 268. 6. 4. Herodor. loc. eit. ö
) Solinus, cap. 11. +) Ovid. Metam. lib. 2. nan o 178.
p) Ecbemenes ap. Bonier, vohar tom. 6. Diod. Sic. Iib. 4. ö
lb. I. cap. 7. x