II.
Die Wandgemälde der Karlsteiner Marienkirche.
Abb. 3. Sacramentshäuschen in der
Karlsteiner Marienkirche.
In ihrem heutigen Zustande stellt sich die Marienkirche, in deren überaus
starkem Mauerwerke eine ausgesparte, schmale Treppe zu dem spitzbogig abschlie-
ßenden Osteingange emporführt, als ein architektonisch durchaus nicht besonders her-
vorragender Raum von einer mehr dem Quadrate sich nähernden rechteckigen Grund-
form dar. Den Lichtzufluss vermitteln ein in der Südwand nach Anhaltspunkten der
ehemaligen Anordnung und Ausführung erneuertes Spitzbogenfenster mit tiefen Lei-
bungen und ein großes, mit geradem Sturze gedecktes Fenster in einer tiefen West-
wandnische, an deren Leibungen sich zwei aufgemauerte Steinbänke hinziehen. Die
das Kircheninnere von dem anstoßenden Gemache trennende Nordwand wurde erst
bei der jüngst durchgeführten Restauration dieses Gebäudetheiles wieder eingezogen,
wodurch man den ursprünglichen Zustand der Raumvertheilung zurückgewann. Denn
im Jahre 1596 war das anstoßende Gemach nach Entfernung der Nordwand mit dem
Kirchenraume vereinigt worden, in dessen Mitte man nun zur besseren Stütze der
Decke einen Pfeiler aufmauerte, während gleichzeitig diesem Pfeiler gegenüber ein
Fenster in der Südwand ausgebrochen und in die gewölbte Nische desselben der Altar
eingerückt wurde; räumliche Beschränktheit des Kircheninnern und der spärliche Licht-
zufluss durch kleine Fenster sind als Gründe der baulichen Veränderung angegeben.1) Das
Innere der Marienkirche, an deren Ausschmückung der Meisel des Steinmetzen nur durch
die Ausführung des geschmackvollen Sacramentshäuschens mit seiner Wappenzier (Abb. 3)
einen Antheil erhielt, hatte schon in den Tagen Karls IV. für Böhmens Kunstgeschichte
hohe Bedeutung durch den Reichthum an Gemälden, welche dasselbe zierten. Es
waren nicht nur alle Wände damit geschmückt, sondern auch die Decke mit ge-
schmackvoller Bemalung ausgestattet. Nächst der Katharinenkapelle wurden bei den
Restaurierungsarbeiten ein Balkenstück (Abb. 5) und zwei gefalzte Bretter dieser bemal-
ten Decke gefunden,2) welche auf blauem Grunde weißgekleidete Engel mit buntgefie-
derten Flügeln zierten; die Kniestücke derselben waren nicht nebeneinander, sondern
in der Linie abwechselnd angeordnet, wobei die Flügel der auf den Balken gemalten
Engelsfiguren sich nach Art leicht geöffneter Schmetterlingsflügel an die beiden Balken-
seiten innig anschmiegten. Längs der Wände lief als Bordüre der flachen Holzdecke ein bemalter Streifen, der in zwei
Schildreihen abwechselnd den böhmischen Löwen in rothem und den schwarzen Adler des deutschen Reiches im gol-
denen Felde zeigte. Ergänzt sich der Beschauer diese Deckenbemalung und vermag er aus der eingehenderen Betrach-
tung der Wandmalereireste des Raumes eine Vorstellung von der einstigen Ausstattung zu gewinnen, dann gelangt er
gewiss zur Überzeugung, dass die Farbenwirkung der Karlsteiner Marienkirche im 14. Jahrhunderte ungemein harmonisch
gestimmt war und dem Auge ebenso wohlthat,3) wie sich das gläubig fromme Gemüth an dem Inhalte der Wandbilder
erheben konnte.
1) Wocel, Resume ans der Relation vom Jahre 1597 über die am Schlosse des XVI. Jahrhunderts in der Burg Karlstein ausgeführten Restau-
rationsarbeiten a. a. O. S. 275. — Ausführlicher Wocel, Relact o oprave hradu Karlsteina od r. 1597 a. a. O. S. 72. — Sedläcek, Karlätein a. a.
O. S. 13. — Nach diesem Berichte ist die Annahme Bocks vollständig unhaltbar, dass die Marienkirche »vielleicht durch ein künstlich gestaltetes Gitter-
Werk in Eisen, an welchem verschiebbare Vorhänge befestigt waren,« in der Art der Kreuzkapelle abgetheilt war; vgl. Bock, Schloss Karlstein in
Böhmen a. a. O. S. 77. — 2) Mittheilungen der k. k. Centralcommission. N. F. Jahrg. XIV. (Wien 1888), S. 214. — Die Fundstücke werden derzeit in
der Kanzlei der Bauleitung aufbewahrt. — ») Bal bin, Miscellanea historica reg. Boh. a. a- O. S. 101 erwähnt eine offenbar von der Restauration unter
Rudolf II. herrührende Deckenbemalung der Marienkirche mit Engeln und Wolken.
Die Wandgemälde der Karlsteiner Marienkirche.
Abb. 3. Sacramentshäuschen in der
Karlsteiner Marienkirche.
In ihrem heutigen Zustande stellt sich die Marienkirche, in deren überaus
starkem Mauerwerke eine ausgesparte, schmale Treppe zu dem spitzbogig abschlie-
ßenden Osteingange emporführt, als ein architektonisch durchaus nicht besonders her-
vorragender Raum von einer mehr dem Quadrate sich nähernden rechteckigen Grund-
form dar. Den Lichtzufluss vermitteln ein in der Südwand nach Anhaltspunkten der
ehemaligen Anordnung und Ausführung erneuertes Spitzbogenfenster mit tiefen Lei-
bungen und ein großes, mit geradem Sturze gedecktes Fenster in einer tiefen West-
wandnische, an deren Leibungen sich zwei aufgemauerte Steinbänke hinziehen. Die
das Kircheninnere von dem anstoßenden Gemache trennende Nordwand wurde erst
bei der jüngst durchgeführten Restauration dieses Gebäudetheiles wieder eingezogen,
wodurch man den ursprünglichen Zustand der Raumvertheilung zurückgewann. Denn
im Jahre 1596 war das anstoßende Gemach nach Entfernung der Nordwand mit dem
Kirchenraume vereinigt worden, in dessen Mitte man nun zur besseren Stütze der
Decke einen Pfeiler aufmauerte, während gleichzeitig diesem Pfeiler gegenüber ein
Fenster in der Südwand ausgebrochen und in die gewölbte Nische desselben der Altar
eingerückt wurde; räumliche Beschränktheit des Kircheninnern und der spärliche Licht-
zufluss durch kleine Fenster sind als Gründe der baulichen Veränderung angegeben.1) Das
Innere der Marienkirche, an deren Ausschmückung der Meisel des Steinmetzen nur durch
die Ausführung des geschmackvollen Sacramentshäuschens mit seiner Wappenzier (Abb. 3)
einen Antheil erhielt, hatte schon in den Tagen Karls IV. für Böhmens Kunstgeschichte
hohe Bedeutung durch den Reichthum an Gemälden, welche dasselbe zierten. Es
waren nicht nur alle Wände damit geschmückt, sondern auch die Decke mit ge-
schmackvoller Bemalung ausgestattet. Nächst der Katharinenkapelle wurden bei den
Restaurierungsarbeiten ein Balkenstück (Abb. 5) und zwei gefalzte Bretter dieser bemal-
ten Decke gefunden,2) welche auf blauem Grunde weißgekleidete Engel mit buntgefie-
derten Flügeln zierten; die Kniestücke derselben waren nicht nebeneinander, sondern
in der Linie abwechselnd angeordnet, wobei die Flügel der auf den Balken gemalten
Engelsfiguren sich nach Art leicht geöffneter Schmetterlingsflügel an die beiden Balken-
seiten innig anschmiegten. Längs der Wände lief als Bordüre der flachen Holzdecke ein bemalter Streifen, der in zwei
Schildreihen abwechselnd den böhmischen Löwen in rothem und den schwarzen Adler des deutschen Reiches im gol-
denen Felde zeigte. Ergänzt sich der Beschauer diese Deckenbemalung und vermag er aus der eingehenderen Betrach-
tung der Wandmalereireste des Raumes eine Vorstellung von der einstigen Ausstattung zu gewinnen, dann gelangt er
gewiss zur Überzeugung, dass die Farbenwirkung der Karlsteiner Marienkirche im 14. Jahrhunderte ungemein harmonisch
gestimmt war und dem Auge ebenso wohlthat,3) wie sich das gläubig fromme Gemüth an dem Inhalte der Wandbilder
erheben konnte.
1) Wocel, Resume ans der Relation vom Jahre 1597 über die am Schlosse des XVI. Jahrhunderts in der Burg Karlstein ausgeführten Restau-
rationsarbeiten a. a. O. S. 275. — Ausführlicher Wocel, Relact o oprave hradu Karlsteina od r. 1597 a. a. O. S. 72. — Sedläcek, Karlätein a. a.
O. S. 13. — Nach diesem Berichte ist die Annahme Bocks vollständig unhaltbar, dass die Marienkirche »vielleicht durch ein künstlich gestaltetes Gitter-
Werk in Eisen, an welchem verschiebbare Vorhänge befestigt waren,« in der Art der Kreuzkapelle abgetheilt war; vgl. Bock, Schloss Karlstein in
Böhmen a. a. O. S. 77. — 2) Mittheilungen der k. k. Centralcommission. N. F. Jahrg. XIV. (Wien 1888), S. 214. — Die Fundstücke werden derzeit in
der Kanzlei der Bauleitung aufbewahrt. — ») Bal bin, Miscellanea historica reg. Boh. a. a- O. S. 101 erwähnt eine offenbar von der Restauration unter
Rudolf II. herrührende Deckenbemalung der Marienkirche mit Engeln und Wolken.