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Die Unterscheidung der Bilder in einzelne Gruppen und die Bestimmung der dargestellten Persönlichkeiten ist bei
der Gleichartigkeit der Auffassung und Darstellung sowie bei dem oftmaligen Fehlen charakteristischer Attribute wieder-
holt erschwert und unsicher, theilweise sogar unmöglich. Einst war auch diesem Übelstande zweckentsprechend vorge-
beugt und die gleichmäßige Sicherstellung aller Bilder gewährleistet; in die Tafelbilder selbst oder ihre Rahmen waren
nämlich Reliquien der dargestellten Heiligen eingelassen, deren Namen außerdem die Scheidung der einzelnen ermöglichten.
Schon Balbin verzeichnet diese Thatsache theils auf Grund der noch bemerkbaren Behältnisse, theils nach der beim Bilde
der heil. Ursula selbst gesehenen Reliquie; für andere Fälle verweist er auf das Zeugnis eines glaubwürdigen Gewährs-
mannes.1) Auch Ehemant berichtet über den gleichen Thatbestand an den Fürsten Kaunitz Folgendes:’)
»Bei der öfteren Besteigung der Leitern entdeckte ich noch sieben Reliquien, die theils in die Rahmen, theils in
die Malerei selbst eingelassen waren und welche im Jahre 1645 bei Übertragung der Karlsteiner Reliquien in die Prager
Domkirche aus Versehen der Commissarien zurückgelassen wurden und von denen seit jener Zeit kein Mensch in dem
Schlosse etwas wusste. Für ihre Echtheit sind theils Aufschriften, die bei einer in Goldblech gegraben, bei den übrigen
auf Pergament geschrieben sind, theils der Krystall, womit sie statt Glas bedeckt worden, Bürge.«
Die Reliquienbehältnisse sind auch heute noch größtentheils erkennbar; Reliquien und Inschriften fehlen, sodass
eine Bestimmung der dargestellten Heiligen sich nur auf die verhältnismäßig nicht zahlreichen Attribute stützen kann und,
vielfach dieses Anhaltes entbehrend, lückenhaft bleiben muss, da auch aus anderen Quellen •'') keineswegs die erwünschte
Sicherheit zuströmt. Die Tafelbilder der Karlsteiner Kreuzkapelle vertheilen sich mit Hinzurechnung der in Wien auf-
bewahrten Stücke in folgender Weise auf die einzelnen Kapellenwände.
An der Hauptwand, nämlich der Hochaltarwand (Taf. XXX), fehlen in der Mitte zwei der wichtigsten Stücke.
Die heute im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien aufgestellte Kreuzigung (Taf. XXXB, die daselbst noch dem Hof-
maler Karls IV. Nicolaus Wurmser von Straßburg zugeschrieben wird, zierte einst die Mitte der Altarwand über der oben
erwähnten Nische. An braunem Kreuze, dessen Holzgeäder schwach angedeutet wird, hängt Christus mit nicht stark herab-
gezogenen Armen; sein Haupt sinkt nach vorn und Blut strömt aus der Brustwunde auf den durchsichtigen Lenden-
schurz. Die übereinander gelegten Füße, deren Wundränder stark aufgetrieben sind, durchbohrt ein Nagel. Maria in
blauem grüngefüttertem Mantel, der über den weißen Kopfschleier emporgezogen ist, drückt durch Herabziehen der Mund-
winkel und die gegen das kummervoll blasse Gesicht erhobenen Hände ihren Schmerz ergreifend aus. Letzterer liegt
auch in der Bewegung der gegen die Wange erhobenen Rechten bei Johannes, der in grünen Mantel mit rothem Futter
gekleidet ist und ein rothes, fast herabfallendes Buch mit der Linken erfasst; die Haltung der Gestalt, besonders der
Hände ist hölzern. Unter der Kreuzigung wurde eine stofflich damit zusammenhängende Darstellung angeordnet, die bei
der Übertragung der Kreuzigungstafel in Karlstein blieb. Sie zeigt den Schmerzensmann in einer Tumba, die
Arme über der Brust kreuzend. Links von ihm erscheinen zwei weißgekleidete Engel mit blauen und rosafar-
benen Flügeln und goldgestickten, über der Brust gekreuzten Stolen; der erste deutet mit dem Zeigefinger der Rechten
nach dem Dornengekrönten. Rechts nahen der Tumba die drei heil. Frauen, von denen die zwei vorderen die
traditionellen büchsenartigen Salbgefäße halten und das enganliegende, das Kinn umschließende weiße Schleiertuchtragen;
die Mäntel sind lichtblau mit grünem Futter und rosafarben. An Stelle der unter diesen drei Tafeln sichtbaren Inschrift:
FERDINANDUS I. IMPERATOR || AUSTRL-E REX BOHEMISE. war das derzeit gleichfalls im kunsthistorischen Hof-
museum zu Wien befindliche Tafelwerk des Thomas von Modena (Taf. I) angebracht. Die in dunkelblauen, gold-
verzierten Mantel gekleidete Madonna, welche das mit einem Hündchen spielende Kind auf dem linken Arme
hält, zeigt die rechte Seite des in Dreiviertelprofil genommenen Kopfes.4) Links und rechts von ihr sind Heilige in ritter-
licher Tracht, Fahnen in den Händen haltend, angeordnet; der heil. Wenzel links trägt einen rothen, goldgesäumten
Herzogshut in Form der Dogenmütze, hält in der Rechten den braunen Schaft eines roth-weiß-rothen, feingemusterten
Fähnleins und legt die Linke auf den Goldrand eines Silberschildes, dessen schwarzer, einköpfiger Adler plastisch hervor-
tritt, während die Rechte des rechts angeordneten heil. Palmatius5) den Schaft eines weißen Fähnleins mit rothem
Kreuze umfasst. Das Kreuzigungsbild und der Schmerzensmann zwischen den Engeln und den heil. Frauen erklärt sich
an hervorragendster Stelle als der natürliche Schmuck einer Karlsteiner Kapelle, die Karl IV. selbst als »in honore et
uocabulo gloriosissime passionis et Insigniorum ipsorum« bezeichnete; da die andere Kapelle »in honore gloriose semper-
que virginis genitricis dei Marie« geweiht war, konnte der kaiserliche Bauherr wohl wünschen, dass auch gleichzeitig auf

>) Balbin, Miscellanea historica regn. Boh. dec. I. lib. III. cap. VIII. g. 3, S. 104—105 : »Et quod maxime est notandum, pleraeque habebant
sui quaevis Sancti reliquias, ut loculamenta relicta testantur. Nihilominus tarnen ad dexteram ultra crates fenestram in imagine cuiusdam S. Virginis
sagittam in manu tenentis, bona pars sacri ossis crystallo clausa manet, prout eam, dum haec lustraremus, deprehendimus (apponi voluit hoc loco vir fide
dignus et amicus, plures in crystallis quinque aut sex superesse Divorum Reliquias ac nominatim S. Laurentii martyris dentem hodieque in effigie SS. illius
Martyris haerere). — 2) Die Schildereien der böhmischen Königsburg Karlstein a. a. O. S. 79. — a) Da den Bildern Reliquien beigegeben waren, können
als solche Quellen höchstens betrachtet werden die beiden Verzeichnisse der Karlsteiner Reliquien aus dem 16. und 17. Jahrhunderte, welche Ressina,
Phosphorus septicornis, S. 411—415 und 424—428 mittheilt. Doch sind bestimmte Deutungen wegen der Kürze der Fassung sehr erschwert-— 4) Engerth,
Kunsthist. Sammlungen d. Ah. Kaiserhauses. Gemälde, I. S. 314. — Weltmann, Buch der Malerzeche in Prag, S. 37 nennt den heil. Palmatius einen
Bischof, worauf die Tracht gar nicht passt, während Engerth die dem heil. Wenzel zukommende Dogenmütze und den rothen Mantel gleichfalls un-
richtig auf Palmatius bezieht. — Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien. 1. Band. (Wien 1866) S. 156. — 5) Crowe u. Cavalcaselle
Geschichte d. italienischen Malerei II. S. 382 geben an »Dalmasius.«

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