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bleiben, sondern als Fürst des Landes denselben durch eine noch größere Stiftung übertreffen wollte. Da von den Wun-
dern des Jahres 1353 sowohl die Karlsteiner Wandmalereien als auch der Entschluss des Kaisers beeinflusst erscheinen,
die Karlsteiner Palaskapelle dem heil. Nicolaus zu weihen, so muss die Herstellung jener Wandbilder, welche die erwähnten
Wunder behandelten, zwischen 1353 und 1356 fallen; in Rücksicht auf den Umstand, dass die Räume, in welchen sie sich
befanden, bereits am 27. März 1357 vollkommen verwendbar waren und in dem ersten Viertel des Jahres 1357 wohl kaum
mehr an Wandbildern derselben gearbeitet werden mochte, scheint der Spätherbst 1356 als Vollendungstermin betrachtet
werden zu dürfen.
Abgesehen von der Möglichkeit einer ziemlich genauen Abgrenzung der Ausführungszeit der Karlsteiner Wand-
bilder, welche dem Doppelwunder von 1353 galten, haben letztere noch einen besonderen Wert dadurch, dass sie ein
Zeitereignis zum Gegenstände monumentaler Darstellung machten. Blieb dasselbe durch seine Beziehungen zum Reliquien-
cult Karls IV. zunächst auch innerhalb des Gebietes kirchlicher Kunst, so trat es doch zugleich mit der Localisierung auf
dem Prager Boden und durch die Verbindung des weltlichen und des kirchlichen Oberhauptes Böhmens mit dem gleichen
Gegenstände frommer Verehrung aus dem Rahmen der religiösen Malerei insofern heraus, als für die in Karlstein zur Dar-
stellung gelangenden Vorgänge keine anderwärts vielleicht mehrfach verwendeten Typen der Nicolauslegende benützt wer-
den konnten, sondern die Erfindungskraft des mit der Ausführung betrauten Künstlers sich frei bethätigen durfte und
selbständig versuchen musste. Da bei den in Rede stehenden Karlsteiner Bildern nach der Natur des darzustellenden
Stoffes die künstlerische Freiheit mehr zum Worte kam, als es sonst bei der Malerei jener Tage zu geschehen pflegte, da
ein Ereignis jener Tage in Verbindung mit Cultfragen einen damals nicht oft wiederbegegnenden Vorwurf monumentaler Darstel-
lung bildete und auch in letzterer das individuelle Moment des Hervortretens der hauptsächlich betheiligten Persönlichkeiten
Berücksichtigung finden musste, so gieng mit diesen Bildern ein höchst wertvolles Material für die Beurtheilung der
künstlerischen Leistungsfähigkeit des 14. Jahrhundertes in Böhmen verloren. Denn dieselbe konnte gerade bei neuen Auf-
gaben, welche die Behandlung eines Zeitereignisses in Verbindung mit allbekannten Personen bei theilweiser Festhaltung
des alten Hintergrundes religiöser Stoffe bot, sich nicht nur mit Glück versuchen und vielleicht anderen neue dankens-
werte Bahnen zeigen, sondern auch in ihren Schöpfungen einen verlässlichen Maßstab für die Feststellung bieten, inwieweit
die damaligen Meister neue Stoffe, deren Behandlung die Zeit forderte, zu durchdringen und zu Kunstwerken zu gestalten
verstanden. Ja, es bleibt in hohem Grade beachtenswert, dass es in Böhmen Meister gab, welche solchen von dem Her-
kömmlichen abweichenden Arbeiten gewachsen waren.
Was die Karlsteiner Bilder im Anschlüsse an das Doppelwunder von 1353 darstellten, lässt sich nur ganz allge-
mein vermuthen. Nach den dabei hervortretenden Personen dürfen zwei Darstellungsgruppen angenommen werden, deren
eine den Kaiser, deren andere den Erzbischof in den Vordergrund stellte; eine weitere Scenenscheidung ist unmöglich,
da sie durchwegs mit Hypothesen arbeiten würde, auf welche man leider auch betreffs des mit der Ausführung beauf-
tragten Meisters angewiesen bleibt.
So stellen sich nicht nur die erhaltenen Karlsteiner Denkmale der Malerei als höchst eigenartige Schöpfungen der
spätmittelalterlichen Kunst dar, sondern lassen auch gut verbürgte Nachrichten über heute verlorene Werke sehr beachtens-
werte Züge einer neuen Kunstbewegung in neuen Aufgaben und in der Thatsache ihrer Lösung unbestreitbar erkennen,
deren so wertvolles »Wie« freilich nicht mehr genau bestimmt werden kann.
Zwei Bruchstücke eines Gurtbogens aus dem Nicolausthurme (Taf. XXVI, Abb. 3) zeigen Überreste decorativer
Bemalung, welche den sorgsam geglätteten Bewurf der Steine zierte. Auf schwarzem, von weißen Streifen umsäumtem
Grunde schlängeln sich weiß und braunroth gemalte Bänder durcheinander. Die schachbrettartige Musterung der seitlichen
Abschrägung gewinnt durch die Facettierung der Diamantverzierung ein mit weißen und rothen Quadraten abwechseln-
des Motiv.
Der ehemaligen Ausstattung der Karlsteiner Nicolauskapelle entstammt .die aus Lindenholz geschnitzte, bemalte
Statue des heil. Nicolaus, deren Ausführung die Sage der Hand Karls IV. beilegen möchte (Abb. 13). Die Auffassung,
Haltung und Bemalung des zierlichen, 1-3 m hohen Werkes entspricht wie der Schnitt der liturgischen Gewandung dem
Charakter spätmittelalterlicher Kunst.*) Die blaugefütterte weiße Cappa, unter welcher die goldgesäumte, rothgefütterte
Dalmatica sich in Braun von der auf die Füße herabwallenden Alba abhebt, trägt eine in Gold aufgemalte rhombische
Agraffe, deren Ränder mit aneinander gereihten Perlen besetzt sind. Unter der silberverzierten Mitra, deren rothe Bänder
auf den Nacken niederfallen, quillt eine Locke in die hohe Stirne, an deren Seiten das grauschimmernde Haar gleich-
mäßig vertheilt ist; ein kurz geschnittener Bart umrahmt das ernste Gesicht. Auf dem von der Linken gehaltenen
schwarzen Buche liegen vier goldene Äpfel; einen fünften umfasst die erhobene Rechte. Die Durcharbeitung der schmal-
schultrigen, nur wenig s-förmig ausgebogenen Gestalt ist sorgfältig. Die mäßig geschwungenen Augenbrauen rücken
ziemlich tief zu den nicht stark geschwellten Lidern der schwarz bemalten Augen herab. Das Streben nach naturwahrer
Behandlung bleibt sogar an den steifgliedrigen Fingern erkennbar, deren Nägel theils aufgemalt, theils an den Daumen
Bock, Schloss Karlstein in Böhmen a. a. O- S. 76. — In die Zeit Rudolfs II. verlegen diese Statue nach der Form des Faltenwurfes und der
Mitra Auge-Jitschinsky, Burg Karlstein S. 17, Heber, Böhmens Burgen, 1. Bd. S. 9, Mikowec, Karlstein a. a. O. S. 187 und Sedlacek, Karl-
stein a. a. O. S. 8.

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