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Nicolaisen, Jan
Martin Schongauer: die Entwicklung des Kupferstichs zur eigenständigen Kunstgattung; die Herausbildung der Plastizität als druckgraphische Kunstform und bildnerische Vorlage — Freiburg (Breisgau), 1993

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41964#0089
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III. Der druckgraphische Zyklus des Marienlebens - das
ikonographische Anspruchsniveau als verlegerisches Kalkül.
Symbolischer Naturalismus und künstlerische Virtuosität in der
frühen druckgraphischen Werkphase Schongauers
1. Vorbemerkung
Innerhalb der elf frühen Stiche, die das steilschenklige
Monogramm tragen (L.5, L.6, L.7, L.16, L.34, L.37, L.40, L.54,
L.58, L.90, L.105), dokumentieren die vier Stiche des
Marienlebens der "Geburt Christi" L.5, der "Anbetung der Könige"
L.6, der "Flucht nach Ägypten" L.7 und der "Tod Marias" L.16 eine
bereits fortgeschrittene Beherrschung der graphischen Technik, so
daß sie den zeitlichen Endpunkt innerhalb dieser Werkgruppe
bilden, wobei der Stich des "Bischofsstabes" L.105 aufgrund
seines partiell verfeinerten Strichbildes und der verkleinernden
Typenwiederholung der thronenden Madonna aus L.6 noch nach dem
Marienleben anzusetzen ist.135 Der Stich der "Anbetung der
Könige L.6" ist vor 1479 entstanden, weil verschiedene Motive aus*
dem Blatt (Architekturkomposition, Figuren aus dem Gefolge der
Könige) auf dem Tafelbild der "Geburt Christi" des inschriftlich
1479 datierten Hochaltarretabels der Marienkirche in Zwickau von
Michael Wolgemut übernommen worden sind. Da die Tafelbilder des
Retabels früher als 1479, wohl etwa 1477 entworfen worden sind,
kann man das Vorliegen des Stiches L.6 auf diesen Zeitpunkt
ansetzen.136
Innerhalb der vier Stiche beobachtet man deutliche,
stilistische und technische Veränderungen, die beweisen, daß
Schongauer an den Bildern die Wirkungsweisen und künstlerischen
Möglichkeiten der graphischen Technik erprobte. Zwischen den
Stichen L.5, L.6, L.7 einerseits und L.16 andererseits bestehen
formale Unterschiede, die einen hinsichtlich des kurzen

135 Siehe Wendland 1907, S.127; Flechsig 1946, S.192, 201.
136 Siehe Lehrs 1925, S.59; Flechsig 1946, S.291.
 
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