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Nicolaisen, Jan
Martin Schongauer: die Entwicklung des Kupferstichs zur eigenständigen Kunstgattung; die Herausbildung der Plastizität als druckgraphische Kunstform und bildnerische Vorlage — Freiburg (Breisgau), 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.41964#0410
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401
IX. Aspekte der Problematik einer chronologischen Ordnung der
Kupferstiche Schongauers
1. Forschungsstand und Modelle der Chronologie
Scheibler 1884, Seidlitz 1884 und Wendland 1907 meinten, mit
einer rein formalistisch orientierten Methode die Kupferstiche
Schongauers in eine exakte Reihenfolge bringen zu können. Keiner
der Autoren konnte jedoch mittels der Behauptung zeitlich
gebundener Schraffenarten (Kreuzschraffur, Parallelschraffur,
freiere Schraffur) das Problem lösen, daß die Kupferstiche
Schongauers einerseits eine große stilistische Homogenität
aufweisen, und zum andere keine Systematik dokumentieren, die
eine lineare Entwicklung in Richtung auf ein einziges
Schraffursystem belegt.681 Der überzogene Anspruch quasi
naturwissenschaftlicher Exaktheit führte zur Bildung eines an
zahlreichen Stellen nicht nachvollziehbaren, zeitlichen Gerüstes.
Das völlige Außerachtlassen inhaltlicher Zusammenhänge
verfälschte zudem vom Ansatz her die Beurteilung des formalen
Erscheinungsbildes der Kupferstiche.682 Lehrs 1925 konstruierte
keine neue, eigenständige Chronologie des druckgraphischen
Werkes, sondern schloß sich in den meisten Fällen den
Datierungsvorschlägen Wendlands an.683
Flechsig 1946 führte in einer (wissenschaftsgeschichtlich im
Grunde überholten Form der) Reduktion der Hauptargumentation auf
rein formalistische Kriterien die Richtung des Lichteinfalls als

681 Grundlegend zum Problem der Datierung von Kupferstichen
mithilfe des graphischen Strichbildes siehe Arpad Weixlgärtner:
Ungedruckte Stiche. Materialien und Anregungen aus Grenzgebieten
der Kupferstichkunde, in: Jb.d.khist.Slgn.d.allerh. Kaiserhauses
29, 1911, S.259-385.
682 Siehe zur Kritik an diesem Vorgehen bereits M.J.
Friedländer: Martin Schongauers Kupferstiche, in: Z.f.b.K., N.F.
16, 1915, S.105-112.

683

Lehrs 1925, passim.
 
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