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in dem Entwurf einer bildlichen "Ereignislandschaft". Die
Darstellung der Himmelsverfinsterung, die sich auf den biblischen
Text (Mt 27,45; Mk 15,33; Lk 23,44) bezog, war in der
niederländischen Tafelmalerei der ersten Hälfte des 15.
Jahrhunderts geläufig.305 Schongauer reproduzierte nicht
lediglich das malerische Motiv der Himmelsverfinsterung, da er
den graphischen Charakter der Linien zur Geltung brachte.306 Der
Künstler kombinierte die malerische Wirkung der
Himmelsverfinsterung mit der Präsentation einer originär
graphischen Bildsprache, da der lineare Charakter des Motivs
trotz der malerischen Erscheinungsweise der Wolken faßbar blieb.
Schongauer taillierte die Linien partiell besonders stark, d.h.
er betonte das An- und Abschwellen der Linien, damit Übergänge
von schwärzlichen zu schwarzen Stellen entstanden, die ein im
Ganzen changierendes Licht ergaben, um die Unmittelbarkeit der
augenblickshaften Wettererscheinung zu veranschaulichen.
Der Kupferstecher konstruierte als dramatische Kulisse der
Kreuztragung das spannungsvolle Verhältnis von dunkler
Wetterfront und lichtbeschienener Küstenlandschaft, deren
entgegengesetzte Helligkeitswerte sich wechselseitig in ihrer
Wirkung verstärken. Schongauer illustrierte mit dem Synchronismus
von zwei in der biblischen Historie auseinanderliegenden Momenten
(Kreuztragung, Himmelsverfinsterung im Augenblick des Todes
305 Siehe das in der Rogier-Nachfolge entstandene Triptychon
der "Kreuzigung" in Riggisberg (Abegg-Stiftung) mit dem Motiv des
verschwärzten Himmels. Panofsky 1953, Bd.2, Abb.398-399.
306 Es muß hier ebenfalls auf die, im Unterschied zu dieser
Darstellungsform betont malerische, frühere Darstellung von
Wolken auf dem Kupferstich des "hl. Christophorus" L.10 vom
"Meister des Johannes Baptista" hingewiesen werden, denn es ist
trotz der Unterschiede denkbar, daß dieser Stich Schongauer zur
druckgraphischen Darstellung von Wolken angeregt hat, da die
Wolkenwiedergabe auf L.9 nicht aus dem eigenen malerischen und
früheren druckgraphischen Werk Schongauers abzuleiten ist, in dem
Schongauer Wolken in einem anderen Typus darstellte (Wolken als
Wellenbänder). Diesen Darstellungstypus zeigen die Tafeln des
"Orlier-Altars" (Geburt Christi, Maria der Verkündigung) und das
Wolkenband auf dem Stich der "Madonna auf der Mondsichel" L.40.
in dem Entwurf einer bildlichen "Ereignislandschaft". Die
Darstellung der Himmelsverfinsterung, die sich auf den biblischen
Text (Mt 27,45; Mk 15,33; Lk 23,44) bezog, war in der
niederländischen Tafelmalerei der ersten Hälfte des 15.
Jahrhunderts geläufig.305 Schongauer reproduzierte nicht
lediglich das malerische Motiv der Himmelsverfinsterung, da er
den graphischen Charakter der Linien zur Geltung brachte.306 Der
Künstler kombinierte die malerische Wirkung der
Himmelsverfinsterung mit der Präsentation einer originär
graphischen Bildsprache, da der lineare Charakter des Motivs
trotz der malerischen Erscheinungsweise der Wolken faßbar blieb.
Schongauer taillierte die Linien partiell besonders stark, d.h.
er betonte das An- und Abschwellen der Linien, damit Übergänge
von schwärzlichen zu schwarzen Stellen entstanden, die ein im
Ganzen changierendes Licht ergaben, um die Unmittelbarkeit der
augenblickshaften Wettererscheinung zu veranschaulichen.
Der Kupferstecher konstruierte als dramatische Kulisse der
Kreuztragung das spannungsvolle Verhältnis von dunkler
Wetterfront und lichtbeschienener Küstenlandschaft, deren
entgegengesetzte Helligkeitswerte sich wechselseitig in ihrer
Wirkung verstärken. Schongauer illustrierte mit dem Synchronismus
von zwei in der biblischen Historie auseinanderliegenden Momenten
(Kreuztragung, Himmelsverfinsterung im Augenblick des Todes
305 Siehe das in der Rogier-Nachfolge entstandene Triptychon
der "Kreuzigung" in Riggisberg (Abegg-Stiftung) mit dem Motiv des
verschwärzten Himmels. Panofsky 1953, Bd.2, Abb.398-399.
306 Es muß hier ebenfalls auf die, im Unterschied zu dieser
Darstellungsform betont malerische, frühere Darstellung von
Wolken auf dem Kupferstich des "hl. Christophorus" L.10 vom
"Meister des Johannes Baptista" hingewiesen werden, denn es ist
trotz der Unterschiede denkbar, daß dieser Stich Schongauer zur
druckgraphischen Darstellung von Wolken angeregt hat, da die
Wolkenwiedergabe auf L.9 nicht aus dem eigenen malerischen und
früheren druckgraphischen Werk Schongauers abzuleiten ist, in dem
Schongauer Wolken in einem anderen Typus darstellte (Wolken als
Wellenbänder). Diesen Darstellungstypus zeigen die Tafeln des
"Orlier-Altars" (Geburt Christi, Maria der Verkündigung) und das
Wolkenband auf dem Stich der "Madonna auf der Mondsichel" L.40.