KARLSRUHE
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Als Wirtschaftsfaktor besaß der Hof einen hohen Stellenwert71. Im Jahr 1761 lag der Anteil
der Hohen Beamten und Adeligen bei 9%, der der Mittleren Beamten und Hofbediensteten
bei 18 %. Daneben waren 50,3 % als Handwerker tätig, die einen Großteil ihrer Aufträge vom
Hof oder den dort Tätigen erhielten72. Untergebracht waren die Behörden zunächst nicht sehr
komfortabel, Friedrich von Weech spricht von einem »sehr bescheidenen Unterkommen«73.
Wie bereits erwähnt, war die Alte Kanzlei, ein Gebäude am Vorderen Zirkel/Ecke Waldhorn-
straße, 1718 bezugsfertig; das Haus war aber schon bald baufällig und wurde 1736 durch ein
neues, ebenfalls am Schloßplatz zwischen Lamm- und Ritterstraße gelegenes, ersetzt74.
Nach dem Aufstieg der kleinen Markgrafschaft Baden zum Kurfürstentum 1803 bezie-
hungsweise zum Großherzogtum 1806 und der Reorganisation des badischen Staates durch
die seit 1803 erlassenen Organisationsedikte vergrößerten sich die Staatsbehörden noch einmal
deutlich. 1815 waren 9,6 % der berufstätigen Bevölkerung als Staatsdiener einzustufen, 10,3 %
als Hofdiener und 35,3 % als Militärangehörige75. Damit waren die Grundlagen gelegt für den
Aufbau des Staatsapparats, wie er gegen Ende des Kaiserreichs anzutreffen war. Solange
Karlsruhe Haupt- und Residenzstadt blieb - und dies war bis zum Ende des Untersuchungs-
zeitraumes nicht mehr gefährdet -, war stets ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in den
staatlichen Dienststellen beschäftigt und bestimmte so das Bild der Stadt mit.
Ebenso selbstverständlich wie die obersten Landesbehörden erhielt auch die mit der
Verfassung von 1818 eingeführte, aus zwei Kammern bestehende Ständeversammlung ihren
Sitz in Karlsruhe. Das 1822 fertiggestellte Ständehaus prägte in entscheidendem Maß das
Ansehen und das Bild der Stadt mit. Es galt bald als eine der bedeutendsten Stätten des
deutschen Liberalismus, die »badischen Kammerverhandlungen fanden [...] Widerhall in ganz
Deutschland« 76.
Daß der Standort des Landtages auch Auswirkungen auf die Presselandschaft hatte, liegt
auf der Hand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Karlsruhe eine Reihe von
Parteizeitungen, die zu einer heute nicht mehr bekannten Pressevielfalt führten. 1918 erschie-
nen neun Zeitungen, darüber hinaus eine Vielzahl von Zeitschriften77.
Ein weiteres Charakteristikum, das den Haupt- und Residenzstädten zugesprochen wird,
besteht in dem mit ihrer Gründung verbundenen beziehungsweise nach ihrem Funktionswan-
del einsetzenden Aufschwung als kulturelle Zentren. In der bereits mehrfach erwähnten
Festschrift von 1911 wird Karlsruhe als eine Kunststadt ersten Ranges, als einer der wichtig-
sten Mittelpunkte unserer nationalen Kultur vorgestellt78. Im Hoftheater spielte sich das
Karlsruher Musikleben ab, durch die Akademie der bildenden Künste war Karlsruhe zur
71 Vgl. C. Müller, 1765 und 1790: Zwischen Existenzgründung und residenzstädtischem Leben, in:
Alltag in Karlsruhe (wie Anm.66) S. 20-63.
72 Vgl. C. Müller, Karlsruhe im 18. Jahrhundert (wie Anm.6) S. 71.
73 von Weech (wie Anm. 30) 1, S. 18.
74 Vgl. Fecht, Karlsruhe (wie Anm. 15) S. 59.
75 Vgl. A. Mohr, 1815: Im Schatten der Prachtstraßen, in: Alltag in Karlsruhe (wie Anm.66) S.64-97,
S.64.
76 G. Bradler und F.Quarthal, Einführung, in: Von der Ständeversammlung zum demokratischen
Parlament. Die Geschichte der Volksvertretungen in Baden-Württemberg, Stuttgart 1982, S. 13-18, S. 16.
77 Vgl. Adreßbuch für die Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe 1918, S. II, 73 ff.
78 Widmer (wie Anm. 51) S. 478, dort auch das folgende Zitat.
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Als Wirtschaftsfaktor besaß der Hof einen hohen Stellenwert71. Im Jahr 1761 lag der Anteil
der Hohen Beamten und Adeligen bei 9%, der der Mittleren Beamten und Hofbediensteten
bei 18 %. Daneben waren 50,3 % als Handwerker tätig, die einen Großteil ihrer Aufträge vom
Hof oder den dort Tätigen erhielten72. Untergebracht waren die Behörden zunächst nicht sehr
komfortabel, Friedrich von Weech spricht von einem »sehr bescheidenen Unterkommen«73.
Wie bereits erwähnt, war die Alte Kanzlei, ein Gebäude am Vorderen Zirkel/Ecke Waldhorn-
straße, 1718 bezugsfertig; das Haus war aber schon bald baufällig und wurde 1736 durch ein
neues, ebenfalls am Schloßplatz zwischen Lamm- und Ritterstraße gelegenes, ersetzt74.
Nach dem Aufstieg der kleinen Markgrafschaft Baden zum Kurfürstentum 1803 bezie-
hungsweise zum Großherzogtum 1806 und der Reorganisation des badischen Staates durch
die seit 1803 erlassenen Organisationsedikte vergrößerten sich die Staatsbehörden noch einmal
deutlich. 1815 waren 9,6 % der berufstätigen Bevölkerung als Staatsdiener einzustufen, 10,3 %
als Hofdiener und 35,3 % als Militärangehörige75. Damit waren die Grundlagen gelegt für den
Aufbau des Staatsapparats, wie er gegen Ende des Kaiserreichs anzutreffen war. Solange
Karlsruhe Haupt- und Residenzstadt blieb - und dies war bis zum Ende des Untersuchungs-
zeitraumes nicht mehr gefährdet -, war stets ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in den
staatlichen Dienststellen beschäftigt und bestimmte so das Bild der Stadt mit.
Ebenso selbstverständlich wie die obersten Landesbehörden erhielt auch die mit der
Verfassung von 1818 eingeführte, aus zwei Kammern bestehende Ständeversammlung ihren
Sitz in Karlsruhe. Das 1822 fertiggestellte Ständehaus prägte in entscheidendem Maß das
Ansehen und das Bild der Stadt mit. Es galt bald als eine der bedeutendsten Stätten des
deutschen Liberalismus, die »badischen Kammerverhandlungen fanden [...] Widerhall in ganz
Deutschland« 76.
Daß der Standort des Landtages auch Auswirkungen auf die Presselandschaft hatte, liegt
auf der Hand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Karlsruhe eine Reihe von
Parteizeitungen, die zu einer heute nicht mehr bekannten Pressevielfalt führten. 1918 erschie-
nen neun Zeitungen, darüber hinaus eine Vielzahl von Zeitschriften77.
Ein weiteres Charakteristikum, das den Haupt- und Residenzstädten zugesprochen wird,
besteht in dem mit ihrer Gründung verbundenen beziehungsweise nach ihrem Funktionswan-
del einsetzenden Aufschwung als kulturelle Zentren. In der bereits mehrfach erwähnten
Festschrift von 1911 wird Karlsruhe als eine Kunststadt ersten Ranges, als einer der wichtig-
sten Mittelpunkte unserer nationalen Kultur vorgestellt78. Im Hoftheater spielte sich das
Karlsruher Musikleben ab, durch die Akademie der bildenden Künste war Karlsruhe zur
71 Vgl. C. Müller, 1765 und 1790: Zwischen Existenzgründung und residenzstädtischem Leben, in:
Alltag in Karlsruhe (wie Anm.66) S. 20-63.
72 Vgl. C. Müller, Karlsruhe im 18. Jahrhundert (wie Anm.6) S. 71.
73 von Weech (wie Anm. 30) 1, S. 18.
74 Vgl. Fecht, Karlsruhe (wie Anm. 15) S. 59.
75 Vgl. A. Mohr, 1815: Im Schatten der Prachtstraßen, in: Alltag in Karlsruhe (wie Anm.66) S.64-97,
S.64.
76 G. Bradler und F.Quarthal, Einführung, in: Von der Ständeversammlung zum demokratischen
Parlament. Die Geschichte der Volksvertretungen in Baden-Württemberg, Stuttgart 1982, S. 13-18, S. 16.
77 Vgl. Adreßbuch für die Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe 1918, S. II, 73 ff.
78 Widmer (wie Anm. 51) S. 478, dort auch das folgende Zitat.