SPÄTMITTELALTERLICHES ZISTERZIENSERTUM IM DEUTSCHEN SÜDWESTEN
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Bernhards von Clairvaux, insbesondere seine Predigten und seine Auslegung des Hohen
Liedes, die geistlichen Abhandlungen eines Aelred von Rievaulx, grundlegende Brauch-
und Verfassungstexte wie die >charta caritatis< in ihrer durch Papst Calixt II. gebilligten
Fassung, das >Exordium magnum< des Konrad von Eberbach, der >Liber usuum<, der Si-
belius definitionum< von 1237 und die Beschlüsse des jährlich tagenden Generalkapitels,
der >Dialogus miraculorum< des Caesarius von Heisterbach - vorhanden waren und auch
gelesen wurden9. Es ist aber keinesfalls so, daß es die dem eigenen Orden entstammenden
Autoren waren, die den klösterlichen Büchersammlungen ein typisch zisterziensisches
Profil gegeben hätten10. Macht man die erhaltenen Handschriften zu einem Parameter für
spirituelle Besonderheiten, erscheint es nahezu unmöglich, die spätmittelalterlichen Zi-
sterzen im deutschen Südwesten zu ausgesprochenen Trägern und Pflegestätten einer un-
verwechselbaren ordensspezifischen Spiritualität zu machen. Aus den erhaltenen Hand-
schriften ergibt sich ein erhebliches Maß an geistlichen Denk- und Lebensformen, die die
großen Orden miteinander gemeinsam haben; eindeutige Unterscheidbarkeit verhindert
das Zeugnis der Quellen.
Spirituelle Unverwechselbarkeit besitzen Orden insbesondere durch die Verschieden-
heit ihrer Lebensordnungen, durch die der Regel, den Statuten und liturgischen Gebräu-
chen innewohnende Spiritualität. Ihrer spirituellen Eigenart vergewisserten sich Zisterzi-
ensermönche dann, wenn sie, ihren eigenen Ritualen folgend, Gottesdienst feierten und
ihr gemeinsames Chorgebet verrichteten. In der Einheitlichkeit (uniformitas) der Liturgie
sollte das einigende Band der Liebe, das Zisterzienserklöster miteinander verbindet, er-
fahrbaren Ausdruck finden. Insofern erscheint es einleuchtend und folgerichtig, daß auch
die eben diese Uniformität verbürgenden liturgischen Handschriften und ihre bildhafte
Ausstattung »der Vergewisserung der spezifischen geistlichen Traditionen und somit der
Festigung der Identität des Ordens« dienten11.
9 Im Falle Lichtenthals und Salems trifft das jedenfalls zu. In Lichtenthal vgl. F. Heinzer, >Ut
idem libri ecclesiastici et consuetudines sint omnibus< - Bücher aus Lichtenthals Gründungszeit, in:
H. Siebenmorgen (Hg.), 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, Sigmaringen 1995,
S. 43-47; P. Schindele, >Hie focht an die ordenunge und reformacion Benedicti des babstes des
XII.... < (Kl L 46, 69v). Zur schriftlichen Überlieferung und Wirkungsgeschichte der Reformweisun-
gen von 1335 im Kloster Lichtenthal, in: C. M. Kasper und K. Schreiner (Hgg.), Viva Vox und ra-
tio scripta. Mündliche und schriftliche Kommunikationsformen im Mönchtum des Mittelalters (Vi-
ta regularis 5), Münster 1997, S. 297-303. Zu Salem vgl. E. Jammers, Die Salemer Handschriften-
sammlung, in: S. Joost (Hg.), Bibliotheca docet. Festgabe für Carl Wehmer, Amsterdam 1963,
S. 45-64; H. J. Roth, Bibliothek von der Abtei Salem, in: Die Cistercienser. Geschichte, Geist,
Kunst, Köln 21977, S. 464-466. W. Werner, Schreiber und Miniatoren - Ein Blick in das mittelalter-
liche Scriptorium des Klosters Salem, in: Salem - 850 Jahre Reichsabtei und Schloss, hg. von R.
Schneider, Konstanz 1984, S. 295-342; L. Schuba, Leben und Denken der Salemer Mönchsge-
meinde im Spiegel der liturgischen Handschriften, ebd., S. 343-366. Zu Salem vgl. insbesondere und
vor allem den demnächst von Wilfried Werner bearbeiteten Handschriftenkatalog, in dem Salemer
Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg beschrieben werden.
10 Zu dem zisterziensischen Eigen- und Sondergut der Lichtenthaler Bibliothek bemerkte Pia
Schindele: »Der Anteil der Cisterciensia ist allerdings verhältnismäßig gering« (>ordenunge und re-
formaciom [wie Anm. 9], S. 302).
11 P. Väth, Die spätmittelalterlichen Handschriften aus dem Kloster Salem, Berlin u. a. 1993, S. 57.
Vgl. auch M. P. Schindele, Gottesdienst/Liturgie, in: 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtent-
hal, hg. von H. Siebenmorgen, Sigmaringen 1995, S. 236: Die zahlreichen liturgischem
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Bernhards von Clairvaux, insbesondere seine Predigten und seine Auslegung des Hohen
Liedes, die geistlichen Abhandlungen eines Aelred von Rievaulx, grundlegende Brauch-
und Verfassungstexte wie die >charta caritatis< in ihrer durch Papst Calixt II. gebilligten
Fassung, das >Exordium magnum< des Konrad von Eberbach, der >Liber usuum<, der Si-
belius definitionum< von 1237 und die Beschlüsse des jährlich tagenden Generalkapitels,
der >Dialogus miraculorum< des Caesarius von Heisterbach - vorhanden waren und auch
gelesen wurden9. Es ist aber keinesfalls so, daß es die dem eigenen Orden entstammenden
Autoren waren, die den klösterlichen Büchersammlungen ein typisch zisterziensisches
Profil gegeben hätten10. Macht man die erhaltenen Handschriften zu einem Parameter für
spirituelle Besonderheiten, erscheint es nahezu unmöglich, die spätmittelalterlichen Zi-
sterzen im deutschen Südwesten zu ausgesprochenen Trägern und Pflegestätten einer un-
verwechselbaren ordensspezifischen Spiritualität zu machen. Aus den erhaltenen Hand-
schriften ergibt sich ein erhebliches Maß an geistlichen Denk- und Lebensformen, die die
großen Orden miteinander gemeinsam haben; eindeutige Unterscheidbarkeit verhindert
das Zeugnis der Quellen.
Spirituelle Unverwechselbarkeit besitzen Orden insbesondere durch die Verschieden-
heit ihrer Lebensordnungen, durch die der Regel, den Statuten und liturgischen Gebräu-
chen innewohnende Spiritualität. Ihrer spirituellen Eigenart vergewisserten sich Zisterzi-
ensermönche dann, wenn sie, ihren eigenen Ritualen folgend, Gottesdienst feierten und
ihr gemeinsames Chorgebet verrichteten. In der Einheitlichkeit (uniformitas) der Liturgie
sollte das einigende Band der Liebe, das Zisterzienserklöster miteinander verbindet, er-
fahrbaren Ausdruck finden. Insofern erscheint es einleuchtend und folgerichtig, daß auch
die eben diese Uniformität verbürgenden liturgischen Handschriften und ihre bildhafte
Ausstattung »der Vergewisserung der spezifischen geistlichen Traditionen und somit der
Festigung der Identität des Ordens« dienten11.
9 Im Falle Lichtenthals und Salems trifft das jedenfalls zu. In Lichtenthal vgl. F. Heinzer, >Ut
idem libri ecclesiastici et consuetudines sint omnibus< - Bücher aus Lichtenthals Gründungszeit, in:
H. Siebenmorgen (Hg.), 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, Sigmaringen 1995,
S. 43-47; P. Schindele, >Hie focht an die ordenunge und reformacion Benedicti des babstes des
XII.... < (Kl L 46, 69v). Zur schriftlichen Überlieferung und Wirkungsgeschichte der Reformweisun-
gen von 1335 im Kloster Lichtenthal, in: C. M. Kasper und K. Schreiner (Hgg.), Viva Vox und ra-
tio scripta. Mündliche und schriftliche Kommunikationsformen im Mönchtum des Mittelalters (Vi-
ta regularis 5), Münster 1997, S. 297-303. Zu Salem vgl. E. Jammers, Die Salemer Handschriften-
sammlung, in: S. Joost (Hg.), Bibliotheca docet. Festgabe für Carl Wehmer, Amsterdam 1963,
S. 45-64; H. J. Roth, Bibliothek von der Abtei Salem, in: Die Cistercienser. Geschichte, Geist,
Kunst, Köln 21977, S. 464-466. W. Werner, Schreiber und Miniatoren - Ein Blick in das mittelalter-
liche Scriptorium des Klosters Salem, in: Salem - 850 Jahre Reichsabtei und Schloss, hg. von R.
Schneider, Konstanz 1984, S. 295-342; L. Schuba, Leben und Denken der Salemer Mönchsge-
meinde im Spiegel der liturgischen Handschriften, ebd., S. 343-366. Zu Salem vgl. insbesondere und
vor allem den demnächst von Wilfried Werner bearbeiteten Handschriftenkatalog, in dem Salemer
Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg beschrieben werden.
10 Zu dem zisterziensischen Eigen- und Sondergut der Lichtenthaler Bibliothek bemerkte Pia
Schindele: »Der Anteil der Cisterciensia ist allerdings verhältnismäßig gering« (>ordenunge und re-
formaciom [wie Anm. 9], S. 302).
11 P. Väth, Die spätmittelalterlichen Handschriften aus dem Kloster Salem, Berlin u. a. 1993, S. 57.
Vgl. auch M. P. Schindele, Gottesdienst/Liturgie, in: 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtent-
hal, hg. von H. Siebenmorgen, Sigmaringen 1995, S. 236: Die zahlreichen liturgischem