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Rückert, Peter [Hrsg.]
Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland: Politik, Kunst und Liturgie im Umfeld des Klosters Maulbronn — Oberrheinische Studien, Band 16: Stuttgart: Thorbecke, 1999

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Heinzer, Felix: Maulbronn und die Buchkultur Südwestdeutschlands im 12. und 13. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.52734#0157

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Maulbronn und die Buchkultur Südwestdeutschlands
im 12. und 13. Jahrhundert
VON FELIX HEINZER
Um das Jahr 1140 schickt Papst Innozenz II. ein Schreiben an die Zisterzienseräbte im
Einzugsgebiet des Klosters Hirsau, in welchem er sie tadelt, sie hätten, wie aus Klagen des
dortigen Abts Volmar hervorgehe, aus Hirsau entlaufenen Mönchen Zuflucht gewährt.
Sie sollen die Flüchtigen nach Hirsau zurückschicken und künftig derartige »Überläufer«
nicht mehr in ihre Häuser aufnehmen1.
Als Textzeuge für diesen Brief war bisher lediglich das in der Hirsauer Gründung Zwie-
falten entstandene Kapiteloffiziumsbuch Cod. theol. 4° 141 der Württembergischen Lan-
desbibliothek bekannt, wo der Text als Nachtrag von einer in das zweite Viertel des 12. Jahr-
hunderts zu datierenden Hand vorliegt2. Vor einigen Jahren fand sich in der Bibliothek der
Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal eine weitere Abschrift in einem aus Herrenalb stam-
menden Codex aus der Zeit um etwa 1200, und zwar mitten in einer Zusammenstellung von
Briefen Bernhards von Clairvaux3. Repräsentiert die Zwiefaltener Überlieferung gewisser-
maßen die Seite des Klägers, so rückt mit der Abschrift im Lichtenthaler beziehungsweise
Herrenalber Codex, der im übrigen eine Einschränkung der bisher nur sehr vage gefaßten
Datierung auf die Jahre 1138 bis 1143 gestattet4, nun auch die andere Seite ins Blickfeld: die
von Hirsau des unlauteren Wettbewerbs angeklagten Zisterzienser. Wer sind diese Klöster,
die mit dem Reformzentrum im Schwarzwald in Konflikt geraten? Natürlich möchte man
zuallererst an Maulbronn denken, das Hirsau am nächsten gelegene Haus des neuen Or-
dens. Dies stößt sich allerdings etwas an der Chronologie: der Brief des Papstes kann spä-
testens 1143 abgefaßt worden sein (Innozenz stirbt am 24. September dieses Jahres), zu ei-
nem Zeitpunkt also, da Maulbronn noch gar nicht bestand. Sollte etwa schon der Vorgän-
gerkonvent in Eckenweiher eine für Hirsau bedrohliche Anziehungskraft gehabt haben?
Diese gewiß nicht uninteressante Frage ist hier nicht weiter zu vertiefen.
1 Druck des Briefs: WUB 4, S. 348 (Nachtrag XLIX). Vgl. auch Ph. Jaffe, Regesta pontificum ro-
manorum 1, Leipzig 1885, Nr. 8277.
2 Die romanischen Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 1: Proveni-
enz Zwiefalten, bearb. von S.von Borries-Schulten, mit einem paläographischen Beitrag von
H. Spilling (Katalog der illuminierten Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek
Stuttgart 2,1), Stuttgart 1987, S. 50-52 (Nr. 25); zur Datierung des 171r nachgetragenen Briefab-
schrift s. ebd., S. 51.
3 Es handelt sich um die Handschrift 102 der Lichtenthaler Klosterbibliothek. Vgl. F. Heinzer/
G. Stamm, Die Handschriften von Lichtenthal (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek
11), Wiesbaden 1987, S. 333f. sowie F. Heinzer, Zwei unbekannte Briefe Bernhards von Clairvaux
in einer Handschrift der Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, in: Scriptorium 41 (1987), S. 97-105.
4 Näheres bei Heinzer, Zwei unbekannte Briefe (wie Anm. 3), S. 99 mit Anm. 5.
 
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