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KLAUS SCHREINER
text: Wenn der württembergische Graf im Schönbuchjagd hielt, mußten ihm, seinen Jä-
gern und Treibern Fleischspeisen vorgesetzt werden96. Das zisterziensische Generalkapi-
tel im Jahre 1493 erteilte dem Kloster Maulbronn das Privileg, »ehrbaren, gelehrten, adli-
gen und fürstlichen Gästen« (hospites honesti, litterati, nobiles magnates), die nicht nur
dem Kloster Maulbronn, sondern dem gesamten Orden zur Ehre und zum Nutzen gerei-
chen, am Tisch des Abtes Fleisch reichen zu dürfen97. Der Erwartungsdruck der Gäste
und die Anpassungsbereitschaft der gastgebenden Mönche ließ so eine Gewohnheit ent-
stehen, die in den Anfängen des Ordens nachdrücklich verworfen worden war.
Auf heftige Kritik stieß der luxuriöse Gebrauch von Pferden. Deren sozialer Symbol-
wert war mit dem Geist zisterziensischer Armut schlechterdings nicht zu vereinbaren98.
Dem Salemer Abt J ohannes Stantenat wurde im ausgehenden 15 .Jahrhundert vorgeworfen,
er sei »sehr verschwenderisch in der Reiterei« (valde sumptuosus in equitatura,), gebärde sich
wie ein »Graf in Waffen« (comes in armis) und solle deshalb die Zahl seiner Pferde verrin-
gern99. Reformmönche des hohen Mittelalters hingegen wollten arm dem armen, nackt dem
nackten Christus nachfolgen. Sich eines Esels zu bedienen, entsprach der humilitas, der De-
mut und Niedrigkeit Christi. Fußgänger folgten dem Vorbild der Apostel. Das Pferd hin-
gegen strahlte dignitas, ehrfurchtgebietende Würde aus. Mittelalterliche Sozialtheoretiker
teilten die Gesellschaft in Reiter und Fußgänger ein, um bildhaft und wirklichkeitsnah ge-
hobene und niedrige soziale Positionen gegeneinander abzugrenzen.
Zisterzienserstatuten des 13. Jahrhunderts konzedierten den Gebrauch von Pferden
nur in dringenden Not- und Ausnahmesituationen. Um vom Orden den »Abglanz weltli-
cher Gewohnheiten« fernzuhalten, faßte 1233 das Generalkapitel den Beschluß, daß rei-
tende Mönche und Äbte »keinesfalls aufsehenerregende Sättel, mit bunten Blechblättchen
verziertes oder mit Eisenblech beschlagenes Zaumzeug, eiserne Steigbügel oder außerge-
wöhnlichen Brustschmuck für die Reitpferde« verwenden durften. Kostbare Pferde-
decken, Sättel und Sporen werteten reformbewußte Zisterzienser als »Zeichen des Prun-
kes und der Nichtigkeit« (signa pompositatis et vanitatis), nicht als »Zeichen der Armut
und Demut« (signa paupertatis et humilitatis). Was sich für ritterliche »Knappen und Jun-
ker« (tyrones aut domicelli) zieme, passe nicht zum Ordensideal der Zisterzienser. Deutli-
cher konnte der soziale Symbolwert, der sich mit dem Reiten auf Pferden verband, nicht
beschrieben, schärfer nicht kritisiert werden.
Ein zisterziensischer Anonymus (um 1200) machte das Reiten seiner Mitbrüder zu ei-
nem Indiz für den im Orden ständig wachsenden carnalis effectus sowie den sichtlich
nachlassenden fervor Spiritus. Jeden Tag, an dem Zisterzienser nicht arbeiten, sondern rei-
ten, würden sie als Gewinn erachten. Hermann von Tournai (um 1090-um 1147) hatte
Prämonstratensermönche kritisiert, die vor ihrem Eintritt ins Kloster nur arme Bauern
gewesen waren, im Ordensgewand aber mit stolzem, geschwelltem Nacken (fastuose)
über Land ritten.
96 Canivez, Statuta (wie Anm. 15), Tom. 4, S. 197.
97 Ebd., Tom. 6, S. 64f.
98 Schreiner, Zisterziensisches Mönchtum (wie Anm. 45), S. 111-114; Ders., Mönchsein in der
Adelsgesellschaft (wie Anm. 81), S. 37-39.
99 H. Baier, Chronikalische Aufzeichnungen aus dem Kloster Salem, in: ZGO 67 (1913), S. 95; Abt
Arnold von Altenberg in seinem Bericht an den Abt von La Charite vom Juni 1478 (wie Anm. 70).
KLAUS SCHREINER
text: Wenn der württembergische Graf im Schönbuchjagd hielt, mußten ihm, seinen Jä-
gern und Treibern Fleischspeisen vorgesetzt werden96. Das zisterziensische Generalkapi-
tel im Jahre 1493 erteilte dem Kloster Maulbronn das Privileg, »ehrbaren, gelehrten, adli-
gen und fürstlichen Gästen« (hospites honesti, litterati, nobiles magnates), die nicht nur
dem Kloster Maulbronn, sondern dem gesamten Orden zur Ehre und zum Nutzen gerei-
chen, am Tisch des Abtes Fleisch reichen zu dürfen97. Der Erwartungsdruck der Gäste
und die Anpassungsbereitschaft der gastgebenden Mönche ließ so eine Gewohnheit ent-
stehen, die in den Anfängen des Ordens nachdrücklich verworfen worden war.
Auf heftige Kritik stieß der luxuriöse Gebrauch von Pferden. Deren sozialer Symbol-
wert war mit dem Geist zisterziensischer Armut schlechterdings nicht zu vereinbaren98.
Dem Salemer Abt J ohannes Stantenat wurde im ausgehenden 15 .Jahrhundert vorgeworfen,
er sei »sehr verschwenderisch in der Reiterei« (valde sumptuosus in equitatura,), gebärde sich
wie ein »Graf in Waffen« (comes in armis) und solle deshalb die Zahl seiner Pferde verrin-
gern99. Reformmönche des hohen Mittelalters hingegen wollten arm dem armen, nackt dem
nackten Christus nachfolgen. Sich eines Esels zu bedienen, entsprach der humilitas, der De-
mut und Niedrigkeit Christi. Fußgänger folgten dem Vorbild der Apostel. Das Pferd hin-
gegen strahlte dignitas, ehrfurchtgebietende Würde aus. Mittelalterliche Sozialtheoretiker
teilten die Gesellschaft in Reiter und Fußgänger ein, um bildhaft und wirklichkeitsnah ge-
hobene und niedrige soziale Positionen gegeneinander abzugrenzen.
Zisterzienserstatuten des 13. Jahrhunderts konzedierten den Gebrauch von Pferden
nur in dringenden Not- und Ausnahmesituationen. Um vom Orden den »Abglanz weltli-
cher Gewohnheiten« fernzuhalten, faßte 1233 das Generalkapitel den Beschluß, daß rei-
tende Mönche und Äbte »keinesfalls aufsehenerregende Sättel, mit bunten Blechblättchen
verziertes oder mit Eisenblech beschlagenes Zaumzeug, eiserne Steigbügel oder außerge-
wöhnlichen Brustschmuck für die Reitpferde« verwenden durften. Kostbare Pferde-
decken, Sättel und Sporen werteten reformbewußte Zisterzienser als »Zeichen des Prun-
kes und der Nichtigkeit« (signa pompositatis et vanitatis), nicht als »Zeichen der Armut
und Demut« (signa paupertatis et humilitatis). Was sich für ritterliche »Knappen und Jun-
ker« (tyrones aut domicelli) zieme, passe nicht zum Ordensideal der Zisterzienser. Deutli-
cher konnte der soziale Symbolwert, der sich mit dem Reiten auf Pferden verband, nicht
beschrieben, schärfer nicht kritisiert werden.
Ein zisterziensischer Anonymus (um 1200) machte das Reiten seiner Mitbrüder zu ei-
nem Indiz für den im Orden ständig wachsenden carnalis effectus sowie den sichtlich
nachlassenden fervor Spiritus. Jeden Tag, an dem Zisterzienser nicht arbeiten, sondern rei-
ten, würden sie als Gewinn erachten. Hermann von Tournai (um 1090-um 1147) hatte
Prämonstratensermönche kritisiert, die vor ihrem Eintritt ins Kloster nur arme Bauern
gewesen waren, im Ordensgewand aber mit stolzem, geschwelltem Nacken (fastuose)
über Land ritten.
96 Canivez, Statuta (wie Anm. 15), Tom. 4, S. 197.
97 Ebd., Tom. 6, S. 64f.
98 Schreiner, Zisterziensisches Mönchtum (wie Anm. 45), S. 111-114; Ders., Mönchsein in der
Adelsgesellschaft (wie Anm. 81), S. 37-39.
99 H. Baier, Chronikalische Aufzeichnungen aus dem Kloster Salem, in: ZGO 67 (1913), S. 95; Abt
Arnold von Altenberg in seinem Bericht an den Abt von La Charite vom Juni 1478 (wie Anm. 70).