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Rückert, Peter [Editor]
Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland: Politik, Kunst und Liturgie im Umfeld des Klosters Maulbronn — Oberrheinische Studien, Band 16: Stuttgart: Thorbecke, 1999

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Rückert, Maria Magdalena: Die Anfänge der Klöster Schöntal und Bronnbach und ihr Verhältnis zur Mutterabtei Maulbronn
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https://doi.org/10.11588/diglit.52734#0112

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MARIA MAGDALENA RÜCKERT

schichte der beiden Zisterzen zu liefern, als am regionalen Beispiel nachzuvollziehen, wie
sich das Verhältnis von Mutter- und Tochterabteien, über die keine vergleichenden Studi-
en vorliegen, in der Frühzeit des Zisterzienserordens gestaltete.
Es ist allerdings vorauszuschicken, daß sich im 12. und 13. Jahrhundert die Ausübung
der Paternität, für die die Charta Caritatis genaue Vorstellungen entwickelte, nur selten in
den Quellen fassen läßt. Die Charta Caritatis stellte neben das genossenschaftliche Insti-
tut des Generalkapitels, das einmal im Jahr zusammentrat, um Regelungen von allgemei-
ner Gültigkeit für den Orden zu treffen, das hierarchische System der Filiation, das die
Beziehungen der einzelnen Abteien zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unter-
ordnung regelt. Neugegründete Zisterzen stellen zwar selbständige Abteien eigenen
Rechts dar, stehen aber zur jeweiligen Mutterabtei in einem Tochterverhältnis, so daß je-
der Abt entweder pater abbas oder abbas filius oder beides zugleich gegenüber seinen
Mitäbten ist4. Neben der Aussendung des Gründungskonvents von idealiter 12 Mönchen
in die Tochterabtei ergab sich aus der Paternität sowohl das Recht zur Ausübung der Ju-
risdiktion über diese als auch die Pflicht der Vateräbte zu ihrer jährlichen Visitation. Da-
bei sollten auch die wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochterabteien überwacht und auf
eventuelle Verschuldung geachtet werden, wie etwa aus einem Generalkapitelsstatut von
1249 hervorgeht: Iniungitur a Capitulo generali patribus abbatibus ut in filiabus suis do-
mibus diligenter provideant ne, pro aedificandi vel acquirendo immoderato et intolerabili
debitorum onere domus illae quas visitant aggraventur5.
Seit 1190 sollten die Visitatoren ihre Beobachtungen schriftlich fixieren und dem näch-
sten Generalkapitel zur Kenntnis bringen. Zwölf Jahre später wurde verfügt, Visitations-
urkunden anzufertigen und bis zur nächsten Visitation aufzubewahren, quasi um Erfolg
und Mißerfolg der Vorschriften zu kontrollieren. 1222 wurde gar beschlossen, die Anord-
nungen der Vateräbte mehrmals im Jahr vor dem Konvent zu verlesen, damit niemand
sich auf seine Unwissenheit berufen könne6.
Da trotz dieses Visitationsgebots Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterklöstern
oft nur schwer nachzuweisen sind, kamen in der Forschung mehr und mehr Zweifel auf, im
Orden von Citeaux die »ideale regelgebundene Sonderwelt«7 zu erblicken, die die Charta
Caritatis vorzugeben scheint. Nachdem zunächst wirtschaftsgeschichtliche Untersuchun-
gen deutlich machten, daß die Art und Weise, wie die Zisterzienser ihre Besitzungen be-
wirtschafteten und organisierten, im Grunde von Anfang an von den Ordensvorschriften
4 Zur Ordensverfassung vgl. Ch. MossiG, Verfassung des Zisterzienserordens und Organisation
der Einzelklöster, in: K. Elm u. a. (Hgg.), Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirk-
lichkeit (Schriften des Rheinischen Museumsamts Nr. 10), Bonn 1980, S. 115-124, v. a. S. 115ff.
5 J. M. Canivez, Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum
1786, Bde. 1-8 (Bibliotheque de la Revue d’Histoire Ecclesiastique 9-14B), Louvain 1933-1941. Im
folgenden zitiert als Canivez, Statuta, Jahreszahl und Nummer des Generalkapitelstatuts, hier: Ca-
nivez, Statuta 1249,1. Vgl. ebd. 1224,24.
6 Canivez, 1190,13 und 1222,8; vgl. zur Quellenproblematik zusammenfassend A. Ostrowitzki,
Die Ausbreitung der Zisterzienserinnen im Erzbistum Köln (Rheinisches Archiv 131), Köln/Wei-
mar/Wien 1993, S. 152.
7 Ch. Raabe, Das Zisterzienserkloster Mariental bei Helmstedt von der Gründung 1138 bis 1337.
Die Besitz- und Wirtschaftsgeschichte unter Einbeziehung der politischen und ordensgeschichtli-
chen Stellung (Berliner Historische Studien 20, Ordensstudien 9), Berlin 1995, S. 65.
 
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