Vorwort
Für den Historiker ist es immer wieder reizvoll, dem stets wechselnden Verhältnis von
Kirche und Staat nachzuspüren. Handelt es sich doch nach heutigem abendländisch/
christlichen Verständnis bei Staat und Kirche um zwei in gleicher Weise auf dem Willen
des Schöpfers beruhende, grundsätzlich nebeneinander stehende, im Wesen voneinander
unabhängige und gleichberechtigte Erscheinungen, die allerdings zur Erfüllung ihrer
jeweiligen Aufgaben aufeinander angewiesen sind. Schon lange hat man deshalb von der
Vorstellung eines »christlichen Staates« Abschied genommen und sich mit dem Begriff
eines ebenfalls von christlichen Grundsätzen geprägten Gemeinwesens begnügen müs-
sen. Auch scheint es nicht vertretbar, eine Rangfolge oder einen zeitlichen Primat von
Kirche und Staat zu konstruieren, wie es in früheren Jahrhunderten, mit der
regelmäßigen Folge grandioser Fehlschläge, immer wieder versucht worden ist; der im
Grunde allen Religionen eigene Ausgangspunkt der primären Beziehung der Menschen
zu Gott, den Göttern oder dem Göttlichen steht dem nicht entgegen. Für den abendlän-
disch/christlichen Bereich ergibt sich dies fast programmatisch aus der Bibel: So gebt dem
Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört (Mk. 12, 13-17; Mt. 22, 15-22).
Doch welche Verzerrung erfuhr diese eigentlich klare Aussage in der abendländischen
Geschichte, wobei staatlicher und kirchlicher Bereich in dem Bestreben der Ausdehnung
eigener Machtpositionen sich gleichermaßen oft in nichts nachstanden!
Ein rein säkular begründeter Herschaftsanspruch des Staates setzte sich erstmals in
der Französischen Revolution durch. Die radikalen, in ihren wirklichen Dimensionen
zuweilen heute noch unterschätzten Umwälzungen der napoleonischen Zeit brachten
nicht nur eine Zerschlagung des alten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und
eine nahezu völlige territoriale Neugestaltung seines Gebietes, sondern auch die rigoro-
se Säkularisierung von Kirchengut, umfassende Veränderungen alter kirchlicher
Zuständigkeiten und, damit einhergehend, entscheidende Schritte in der Ausgestaltung
des Verhältnisses von Kirche und Staat. Die neuen deutschen Staaten sahen sich hinsicht-
lich des Verhältnisses von Katholiken und Protestanten einer grundlegenden
Veränderung der konfessionellen Zusammmensetzung ihrer Bevölkerung, ja zuweilen
sogar einer Umkehrung im Vergleich zu den Vorgängerterritorien gegenüber. Auf ihr
Gebiet reichten nunmehr die Zuständigkeiten zahlreicher alter katholischer Bistümer.
Allerdings verfügten sie oft nicht einmal über einen der alten Bischofssitze; der schon
lange vorhandene, meist aber immer wieder zurückgestellte Wunsch nach eigenen
Landesbistümern wurde schließlich unüberhörbar. Durch die Säkularisierung des alten
Kirchengutes war der katholischen Kirche die bisherige materielle Grundlage weitgehend
Für den Historiker ist es immer wieder reizvoll, dem stets wechselnden Verhältnis von
Kirche und Staat nachzuspüren. Handelt es sich doch nach heutigem abendländisch/
christlichen Verständnis bei Staat und Kirche um zwei in gleicher Weise auf dem Willen
des Schöpfers beruhende, grundsätzlich nebeneinander stehende, im Wesen voneinander
unabhängige und gleichberechtigte Erscheinungen, die allerdings zur Erfüllung ihrer
jeweiligen Aufgaben aufeinander angewiesen sind. Schon lange hat man deshalb von der
Vorstellung eines »christlichen Staates« Abschied genommen und sich mit dem Begriff
eines ebenfalls von christlichen Grundsätzen geprägten Gemeinwesens begnügen müs-
sen. Auch scheint es nicht vertretbar, eine Rangfolge oder einen zeitlichen Primat von
Kirche und Staat zu konstruieren, wie es in früheren Jahrhunderten, mit der
regelmäßigen Folge grandioser Fehlschläge, immer wieder versucht worden ist; der im
Grunde allen Religionen eigene Ausgangspunkt der primären Beziehung der Menschen
zu Gott, den Göttern oder dem Göttlichen steht dem nicht entgegen. Für den abendlän-
disch/christlichen Bereich ergibt sich dies fast programmatisch aus der Bibel: So gebt dem
Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört (Mk. 12, 13-17; Mt. 22, 15-22).
Doch welche Verzerrung erfuhr diese eigentlich klare Aussage in der abendländischen
Geschichte, wobei staatlicher und kirchlicher Bereich in dem Bestreben der Ausdehnung
eigener Machtpositionen sich gleichermaßen oft in nichts nachstanden!
Ein rein säkular begründeter Herschaftsanspruch des Staates setzte sich erstmals in
der Französischen Revolution durch. Die radikalen, in ihren wirklichen Dimensionen
zuweilen heute noch unterschätzten Umwälzungen der napoleonischen Zeit brachten
nicht nur eine Zerschlagung des alten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und
eine nahezu völlige territoriale Neugestaltung seines Gebietes, sondern auch die rigoro-
se Säkularisierung von Kirchengut, umfassende Veränderungen alter kirchlicher
Zuständigkeiten und, damit einhergehend, entscheidende Schritte in der Ausgestaltung
des Verhältnisses von Kirche und Staat. Die neuen deutschen Staaten sahen sich hinsicht-
lich des Verhältnisses von Katholiken und Protestanten einer grundlegenden
Veränderung der konfessionellen Zusammmensetzung ihrer Bevölkerung, ja zuweilen
sogar einer Umkehrung im Vergleich zu den Vorgängerterritorien gegenüber. Auf ihr
Gebiet reichten nunmehr die Zuständigkeiten zahlreicher alter katholischer Bistümer.
Allerdings verfügten sie oft nicht einmal über einen der alten Bischofssitze; der schon
lange vorhandene, meist aber immer wieder zurückgestellte Wunsch nach eigenen
Landesbistümern wurde schließlich unüberhörbar. Durch die Säkularisierung des alten
Kirchengutes war der katholischen Kirche die bisherige materielle Grundlage weitgehend