Masken
15
Aufführung religiös-mythologischer Spiele geleistet wird, um die barbarische
Versuchung guter, gläubiger Menschen zu veranschaulichen, um die Schäden
einer gefährlichen Witterung oder um Krankheiten zu bekämpfen, muß in
der Überlegenheit dieser wagemütigen asiatischen Plastik als paradoxale
Aufhebung gelten. Feine verschmitzt gutmütige Mönchsgesichter, verfettet
erregte Visagen mit allen raffinierten Tributen des Erreichbaren, Tier-
dämonen von einer Travestie der Empfindung, schreckhafte Teufelsfratzen,
tanzen in den grellen chinesischen Seidengewändern herum; anarchistische
entmenschte Sensationen, die Drag-gscheds ( = furchtbare Henker) aus dem
vorbuddhistischen, (jivaitischen Pantheon übernommen, beunruhigen die
Exzesse einer infernalischen Prozession. In früheren Zeiten forderten die
Skelettmasken desTsam-Tanzes Menschenblut (gleich der Hamatsa-Zeremonie
der Kwakiutl-Indianer Nordwestamerikas), heute begnügen sich die Magier
mit einer Menschenfigur aus Brot. Neben den Höllenqualen einer barocken
Priesterhierarchie mögen lichtere Seiten, so eine fromme Legende aus dem
Wanderleben des Mönches Milaraspa (nach Grünwedel und Tafel), im
angenehmen ballettmäßigen Tanzbild allzu Krasses überbrücken. Um die
traditionelle Unbeirrtheit in der Maske zu betonen, sei es erlaubt, in diesem
Zusammenhang eine Sage vom großen Reformator des tibetischen Lamaismus,
dem Begründerder „Gelben Sekte“ (Gelugpa-Sekte) Tsongkhapa (geb. 1378)
zu zitieren.-„Während eines späteren Aufenthaltes in Lhasa machte
Tsongkhapa eine gehörnte Maske und probierte sie an; sein SchülerTschotschgja
bat Tsongkhapa, sie ihm zum Anprobieren zu leihen. Tsongkhapa verweigerte
es und stritt ihm die Berechtigung der Bitte ab. Dann baute Tsongkhapa
einen Thron und setzte sich mit der Maske auf ihn. Tschotschgja wollte das
gleiche tun. Tsongkhapa erlaubte es ihm und übergab ihm die Maske.
Tschotschgja setzte sich in der gehörnten Maske auf den Thron. Tsongkhapa
blies, und Tschotschgja blieb in dieser Gestalt in Ewigkeit auf dem Thron
sitzen. Sein unverweslicher Körper, so erzählt man sich, steht noch jetzt
in Lhasa mit geradegezogenen Füßen und Hörnern auf dem Kopfe“ (Potanin,
Filchner).
Den konsequentesten Fatalismus in der Konzeption des Sinnlichen bejaht
ceylonisches Maskentum. Der Fall der Bewertung liegt anders als in Tibet.
Lamaistische Weltklugheit und dogmatisch bezwingende Moralität sind hier
verworfen. Eine Arena der Therapie, eine Wehr für Gesundung — nicht zu
nehmen im bürgerlich medizinischen Interesse. Das evolutionistische Geschehen
noch dunkel. Sicher, der Entschluß, durch die Dämonenmaske das gestrandete
Leben zu korrigieren. Lebenerhaltend steht die Maske, der Teufeltänzer da.
Die Fähigkeit liegt in der Regeneration, im Regulativen, im Exorzistischen. Wie
ein Christus Dämonen austrieb, so entthront sie der sinhalesische Teufel-
15
Aufführung religiös-mythologischer Spiele geleistet wird, um die barbarische
Versuchung guter, gläubiger Menschen zu veranschaulichen, um die Schäden
einer gefährlichen Witterung oder um Krankheiten zu bekämpfen, muß in
der Überlegenheit dieser wagemütigen asiatischen Plastik als paradoxale
Aufhebung gelten. Feine verschmitzt gutmütige Mönchsgesichter, verfettet
erregte Visagen mit allen raffinierten Tributen des Erreichbaren, Tier-
dämonen von einer Travestie der Empfindung, schreckhafte Teufelsfratzen,
tanzen in den grellen chinesischen Seidengewändern herum; anarchistische
entmenschte Sensationen, die Drag-gscheds ( = furchtbare Henker) aus dem
vorbuddhistischen, (jivaitischen Pantheon übernommen, beunruhigen die
Exzesse einer infernalischen Prozession. In früheren Zeiten forderten die
Skelettmasken desTsam-Tanzes Menschenblut (gleich der Hamatsa-Zeremonie
der Kwakiutl-Indianer Nordwestamerikas), heute begnügen sich die Magier
mit einer Menschenfigur aus Brot. Neben den Höllenqualen einer barocken
Priesterhierarchie mögen lichtere Seiten, so eine fromme Legende aus dem
Wanderleben des Mönches Milaraspa (nach Grünwedel und Tafel), im
angenehmen ballettmäßigen Tanzbild allzu Krasses überbrücken. Um die
traditionelle Unbeirrtheit in der Maske zu betonen, sei es erlaubt, in diesem
Zusammenhang eine Sage vom großen Reformator des tibetischen Lamaismus,
dem Begründerder „Gelben Sekte“ (Gelugpa-Sekte) Tsongkhapa (geb. 1378)
zu zitieren.-„Während eines späteren Aufenthaltes in Lhasa machte
Tsongkhapa eine gehörnte Maske und probierte sie an; sein SchülerTschotschgja
bat Tsongkhapa, sie ihm zum Anprobieren zu leihen. Tsongkhapa verweigerte
es und stritt ihm die Berechtigung der Bitte ab. Dann baute Tsongkhapa
einen Thron und setzte sich mit der Maske auf ihn. Tschotschgja wollte das
gleiche tun. Tsongkhapa erlaubte es ihm und übergab ihm die Maske.
Tschotschgja setzte sich in der gehörnten Maske auf den Thron. Tsongkhapa
blies, und Tschotschgja blieb in dieser Gestalt in Ewigkeit auf dem Thron
sitzen. Sein unverweslicher Körper, so erzählt man sich, steht noch jetzt
in Lhasa mit geradegezogenen Füßen und Hörnern auf dem Kopfe“ (Potanin,
Filchner).
Den konsequentesten Fatalismus in der Konzeption des Sinnlichen bejaht
ceylonisches Maskentum. Der Fall der Bewertung liegt anders als in Tibet.
Lamaistische Weltklugheit und dogmatisch bezwingende Moralität sind hier
verworfen. Eine Arena der Therapie, eine Wehr für Gesundung — nicht zu
nehmen im bürgerlich medizinischen Interesse. Das evolutionistische Geschehen
noch dunkel. Sicher, der Entschluß, durch die Dämonenmaske das gestrandete
Leben zu korrigieren. Lebenerhaltend steht die Maske, der Teufeltänzer da.
Die Fähigkeit liegt in der Regeneration, im Regulativen, im Exorzistischen. Wie
ein Christus Dämonen austrieb, so entthront sie der sinhalesische Teufel-