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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0013
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Vorwort.

EGBN die Mitte des 15. Jahrhunderts vollzieht sich in Schwaben wie in

allen Teilen Deutschlands der entscheidende Umschwung im künst-
lerischen Schaffen. An die Stelle der Gestaltungsprinzipien des weichen
Stils tritt eine realistischere Auffassung und ein verändertes Formgefühl.
In Ulm ist es Hans Multscher, der fiir die Plastik die neuen Grundlagen
schafft und der Kunst der Spätgotik die Wege weist. Sowohl in Schwaben
wie im Bereich der iibrigen süddeutschen Plastik fehlen die Voraussetzungen
fiir seinenStil 1. Binflüsse von außen, wohl von den Niederlanden 2, müssen
angenonnnen werden.

Unsere Untersuchung setzt erst wesentlich später ein. Auch die unmittel-
baren Nachfolger Multschers in der Ulmer Plastik sollen keine Berück-
sichtigung finden 3. Der geringe Bestand anWerken aus den 60er und 70er
Jahren des 15. Jahrhunderts läßt die Entwicklung in dieser Periode nur
schwer iibersehen. Neue Anregungen scheint die Ulmer Kunst noch einmal
unter dem älteren Syrlin aufgenomnren zu haben. Nur die friihesten Ar-
beiten aus dem Kreise seiner Werkstatt können als direkte Fortsetzung der
von Multscher begriindeten Traditionen gelten. Schon die Biisten des
Ulmer Chorgestühls lassen in ihrer lebenbejahenden Frische und der neuen
stilistischen Haltung andere Finflüsse vermuten.

Breitere Basis gewinnt die Ulmer Plastik gegen Ausgang des 15. Jahr-
hunderts. Dieser Periode vor allem verdankt Ulm seinen Ruf als Zentrum
künstlerischer Tätigkeit. Mit ihr setzt auch unsere Untersuchung ein. Fine
ganze Reihe selbständiger Werkstätten bestehen in der Zeit um 1500 neben-
einander, und wahren in ihrem Schaffen das Gepräge gesonderter Figenart.
Die beherrschende Bedeutung besitzt unter ihnen diejenige Werkstatt, die
wir mit dem jüngeren Syrlin in Verbindung bringen dirrfen. Ihr fällt die
überwiegende Mehrzahl der Aufträge zu, von ihr geht die weiteste Wirkung
aus. Bis in die 20er Jahre hinein beherrscht die Ulmer Plastik, und unter
ihr an erster Stelle Syrlin, die künstlerische Produktion in Schwaben. Frst
mit dem Aufkonunen der Renaissance tritt Ulm seine Vormachtstellung an
Augsburg ab.

Unter der Uiteratur, die sich mit dieser letzten Periode beschäftigt hat,
werden wir 1111s vor allern auf Baum zu beziehen haben. Durch seine „Ulmer
Plastik um 1500“ hat er den Grund zur wissenschaftlichen Bearbeitung des
ganzen Gebiets gelegt und vor allem auch durch die Heranziehung des

1 Uin erstes frühes Zeugnis realistischer Kunst des 15. Jahrhunderts bildet eine Gruppe von Bildwerken
am Westportal des Ulmer Miinsters. Ihr Meister kommt vom Niederrhein und sein Wirken bleibt in
Schwaben ohne Nachklänge. Auch Multscher kommt nicht von ihm her. (vgl. Otto, Die Ulmer Plastik
des frühen 15. Jahrhunderts sTübingen 1924]). 2 vgl. Weise, Spanische Plastik aus 7 Jahrhunderten I

(Reutlingen 1926) S. 50. 3 Die Hauptwerke dieser Periode hat schon Baum in seiner „Ulmer Plastik

um 1500“ (Stuttgart 1911) behandelt. BJrgänzungen sind von der in Vorbereitung befindlichen Arbeit
Gerstenbergs iiber Multscher zu erwarten.

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