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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0116
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Syrlin der Jüngere.

VON der Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der oberschwäbischen
Plastik in der Zeit um 1500 konnten uns die Schöpfungen des Erhart-
kreises und die zuerst besprochenen kleineren Ulrner Werkstätten einen
Begriff geben. Jede hat ihren eigenen Stil, ihren festenBesitz an technischen
Besonderheiten und formalen Typen. Nur selten konnten wir eine stilistische
Beeinssussung der einen Werkstatt durch die andere feststellen. Jede einzelne
Werkstatt stellt sich in den uns erhaltenen Schöpfungen als ein geschlossenes
Ganzes dar. Am ehesten noch hat die Art des jungen Syrlin auf die iibrigen
Ulrner Kiinstler abgefärbt. Aus begreiflichen Griinden. Wie unsere Aus-
fiihrungen zeigen werden, repräsentiert S}ulins Werkstatt die beherrschende
Macht im plastischen Schaffen Ulms um die J ahrhundertwende. Der Streu-
kreis ihres Wirkens und der Umfang ihres Exportgebiets sind von viel
weiterer Ausdehnung als bei irgend einer anderen Ulmer Werkstatt. Ihr
fällt die Mehrzahl der bedeutenderen Aufträge zu und die Menge der aus
ihr hervorgegangenen Bildwerke überbietet alles, was wir sonst an Pro-
duktionsfähigkeit in Schwaben kennen. Ähnlich wie bei Riemenschneider,
der einen Betrieb mit i2Uehrlingen und noch mehr Gesellen 1 unterhält und
ganz Franken mit den Erzeugnissen seiner Werkstatt versorgt, müssen die
Verhältnisse gelegen haben. Die Menge der erhaltenen Schöpfungen gibt
den Beweis. Fehlen uns auch urkundliche Nachrichten über die Ausdehnung
und Größe des Syrlinschen Werkstattbetriebs, so muß doch eine bedeutende
Anzahl von Mitarbeitern nötig gewesen sein, um allen Anfordenmgen zu
genügen und allen Bestellungen nachkonuuen zu können.

Diese Verhältnisse bestinunen auch die Art unserer Aufgabe. Bei einem
so ausgedehnten Betrieb, der noch dazu durch das Kommen und Gehen
neuer Gesellen immer etwas Schwankendes an sich hat, wird es nur in
den seltensten Fällen möglich sein, das erhaltene Denkmälermaterial auf be-
stimmte, innerhalb der Werkstatt tätige Künstlerpersönlichkeiten aufzu-
teilen und die ausfiihrenden Kräfte zu scheiden. Auch die eigenhändigen
Arbeiten des Meisters werden sich nur schwer aussondern lassen. DerEinzelne
geht unter in der Stilgemeinschaft der Werkstatt, die auch hier durch das
Vorherrschen ganz bestimmter Rezepte und handwerklicher Traditionen
sich ihren geschlossenen Charakter wahrt. Unserer Aufgabe glauben wir in
den nachstehenden Ausführungen zu genügen, wenn wir in erster Rinie das
allen Schöpfungen Gemeinsame herausarbeiten und auf diese Art die Syrlin-
sche Werkstatt und den Umfang ihres Schaffens gegeniiber den anderen,
gleichzeitig in Ulm wirkenden Kräften abgrenzen. Nur in ganz wenigen
Fällen wird es möglich sein, einzelne der aus der Syrlinschen Werkstatt

1 vgl. Weber, Til Riemensclmeider (RegeSjiburg 1911) S. 50.

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