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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0052
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kontrolliere ferner, wie oberhalb des Knies das reich bewegte Gefält in drei
großen Kurven sich zum Oberkörper zieht und wie die Idnienführung sämt-
licher Binnenformen miteinander korrespondiert. Aus allem spricht die
Übereinstimmung des Stils und der Maclie, wie sie nur das Arbeiten in der
gleichen Werkstatt ergeben kann.

Die Zahl der heute noch erhaltenen Bildwerke, die sich um den Altar von
Hausen schließen, ist nur klein. Trotzdem rnüssen wir sie nach ihrem
stilistischen Befund von den Arbeiten anderer Werkstätten sondern und
sie einern eigenen Meister zuschreiben. Nur ganz allgemeine Ähnlichkeiten
bestehen, wie wir sahen, mit dem Rißtissener Altar. Auch an manche Früh-
werke des jüngeren Syrlin könnte man sich durch bestimmte Überein-
stimmungen in den Kopftypen und in einzelnen Motiven der Gewandgebung
erinnert fühlen. Allzuviel Bedeutung wird man diesen Zusammenhängen
nicht zuschreiben dürfen. Ein gewisser gemeinsamer Zug, das was man als
das typisch ,,Ulmische'‘ bezeichnet, kehrt als Ausdruck schwäbischer
Stammesart in den Kopftypen fast aller Ulrner Meister wieder. Zweifellos
hat auch das Nebeneinanderwirken am gleichen Ort zu häufigen Ent-
lehnungen und Berührungen zwischen den einzelnen Werkstätten geflihrt.
Wichtiger als Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten mehr allgemeiner Art
ist das Grundkapital fester werkstattmäßiger Gewohnheiten, die wir die
einzelnen Kiinstler inmier wieder verwenden sehen.

4- Der Meister von Illerzell.

In viel stärkerem Maße als das kleine Oeuvre des Hausener Meisters und
die zuerst besprochenen Gruppen trägt das typische Ulmer Gepräge eine
andere, zugleich umfangreichere Werkstatt. Mit ihren Anfängen riicken wir
näher an die J ahrhundertwende heran, wo unter dem beherrschenden Ein-
ssuß des jiingeren Syrlin die Schöpfungen der einzelnen Schnitzer einen mehr
uniformen Charakter annahmen. Es ist die Werkstatt des Meisters von
Illerzell. Wir benennen sie nach einer Madonna (Abb. 45), die sich in nächster
Nähe von Ulm, in der Kirche zu 111 e r z e 11 (B.A. Neu-Ulm) befindet.

Die Madonna von Illerzell ist von untersetztem Wuchs und zeigt die
kompakte Zusammenfassung des Konturs, die ssächenhafte Körperbehand-
lung und das rundliche Gesicht mit der breiten Stirn und dem freundlich-
temperamentlosen Ausdruck, wie sie für die meisten Ulmer Bildwerke
charakteristisch sind. Als typisch für den Gewandstil kann die Art gelten,
wie auf glatter Grundssäche gleich gerundeten Wülsten die Faltenrückeu
starr und gerade aufgesetzt sind.

Illerzell liegt südlich von Ulm in bayerisch Schwaben. Ganz am entgegen-
gesetzten Ende der Ulmer Einssußsphäre, in Großengstingen bei

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