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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0071
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Gregor Erhart.

A tvly den Meistern der kleineren Werkstätten, die wir im vorigen Kapitel
beh andelt lraben, war eines gemeinsam: sie blieben sämtlich anonym. In
keinem Fall war es möglich, die aus den Werken zu erschließende Ktinstler-
individualität mit einem der vielen in den nrkundlichen Nachrichten über-
lieferten Bildhauernamen in Verbindung zu bringen. Günstiger liegen die
Verhältnisse bei Gregor Krhart. Wir wissen aus Urkunden von ihm und
kennen Werke seiner Hand 1 *. Gregor Krhart ist der Sohn des Bildschnitzers
Michel Krhart in TTIm 2 Vermutlich arbeitet er in seiner Jugend in der Werk-
statt des Vaters. 1494 siedelt er nach Augsburg über, heiratet dort 1496
die Schwester des ebenfalls aus Ulm stannnenden Bildhauers Adolf Daucher,
unterhält in den folgenden Jahren einen vielbeschäftigten Werkstattbetrieb
für Holz- und Steinplastik und erringt sich bald den Ruf eines hervor-
ragenden Meisters. Aus Krharts späterer Periode ist wenig tiber seine
Uebensumstände und seine Werke bekannt. Kinige Male stellt er noch
Uernknaben vor; 1531 überninnnt sein Sohn Paulus die Werkstatt. 154° lst
Gregor Krhart gestorben.

Von den urkundlich bezeugten Augsburger Werken des Künstlers hat
sich nichts erhalten. Weder das steinerne Kruzifix ftir den Kirchhof von
St. Ulrich aus dem Jahr 1498, noch Sakramentshaus und Krühmeßaltar
ftir St. Moriz, 1502 bis 1508 gefertigt, oder das steinerne Reiterstandbild
Maximilians ftir St. Ulrich, vom Kaiser 1509 gestiftet, sind lieute noch vor-
handen 3. Kine einigermaßen gesicherte Basis gewann die Krhart-Korschung
durch die Kaisheimer Madonna des Kaiser Friedrich-Museums, die heute
wohl allgemein als Arbeit Gregor Krharts anerkannt wirdb Stilkritische Kr-
wägungen ließen weitere Werke dem Meister des Kaisheimer Schutzmantel-

1 Die urkundliclieu Naclirichten hat zuerst Baum, Ulmer Plastik S. 160 ff. zusammengestellt. Wert-

volle Ergänzungen gah neuerdings Spaeth, Quelleukundliche Beiträge zur Augshurger Plastik um 1500,
Monatshefte f. K. W. XIV (1922) S. 180 ff. 2 vgl. Spaeth a. a. O. S. 180. 3 Bei dem Fehlen ge-
sicherter Werke konnte Mader (Studien üher den Meister des Mörlin-Denkmals, Die christliche Kunst III

s1906—1907] S. 18 ff.) aus Erwägungen, die sich hauptsächlich auf die freundschaftlichen Beziehungen

Gregor Erharts zu St. Ulrich und dessen Aht Mörlin stützen, zu der Annahme kommen, der Meister des
Mörlinepitaphs in Augsburg sei mit Erhart zu identifizieren. Ein Hauptargument gegen die Madersche
Hypothese scheint mir darin zu liegen, daß von dem Meister des Mörlinepitaphs nur in der Gegend von
Augsburg Werke zu finden sind, aher keine in der Umgegend von Ulm. Wie Baum (a. a. O. S. 93)
nachweist, entwickelt sich üherdies der Stil des Mörlinmeisters organisck aus der vorangehenden Augs-
burger Kunst, während in Ulm jegliclie Voraussetzung für ihn fehlt. 4 Die verschiedenen Gründe, die
zu der Identifikation der Schutzmantelmadonna des Kaiser Friedrich-Museums mit dem urkundlich he-
zeugten Werk Gregor Erharts berechtigen, sind in jüngster Zeit von Feuchtmayr (Über Gregor Erhart,
Ztschft. f. bild. Kunst Bd. 60 s1926—1927] S. 27) zusammengestellt worden. Für die Herkunft aus
Kaisheim spricht der Umstand, daß die Ordenshrüder im Mantel der Maria Zisterzienser sind; außerdem
stammt die Angabe der Provenienz des Bildwerks aus einer Zeit, in der die Erhartfrage noch nicht aufge-
worfen war und ein Interesse der Händler an der Herkunft deshalb nicht in Betracht kam. Einen weiteren
Beweis gehen die Tatsachen, daß die Figur für ein Einzelbildwerk, zumal für eine Schutzmantelmadonna,
zu schmal angelegt ist, daß sie andererseits aher stilistisch genau in die Zeit der Entstehung des ehem.
Choraltars (1502) paßt, und diesem bedeutenden Werk auch nach Größe und Qualität durchaus entspricht.
 
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