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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0101
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Den Untergrmid ulmischen Wesens bringt
diese Attribution richtig zum Ausdruck. Mit
Syrlin d. J. freilich, dessen Arbeiten wir ein-
gehend erörtern werden, zeigt die Figur kei-
nerlei Berührung. Auch sie gibt in ihren for-
malen Besonderheiten weit eher den Hinweis
auf die von Gregor Frhart vertretene Richtung.

Mit der Madonna aus Neidingen stimmt sie
aufs Hngste überein. Kopfbildung, Haarbe-
handlung und Faltengebung sind genau die
gleichen. Die beiden Werke stannnen zweifel-
los von der Hand des nämlichen Meisters 1.

Noch einen zweiten Künstler, der in verhält-
nismäßig selbständiger Weise den von Gregor
Frhart ausgehenden Finssuß verarbeitet hat,
vermag ich wenigstens in einern wichtigeren
Werk anzuführen. Ganz anderen stilistischen
Charakter als die Neidinger Figuren und die
Madonna von Auenhofen zeigt die in Abb. 105
wiedergegebene Madonna der Kirche zu A m e n-
d i n g e n bei Memmingen. In dem gleich-
mäßigen Oval und in dem fraulichen Frnst
der Ziige gemahnt die Madonna an die Blau-
beurer Muttergottes. Das Kind erinnert in
dem kugeligen Kopf und der Querlage — frei-
lich mit beträchtlichem Qualitätsunterschied
— an die Kaisheimer Schutzmantelfigur. Selbst
Kleinigkeiten, wie die Form des Halsausschnittes mit dem kleinen vor-
stehenden Hemdkragen sind niit Blaubeuren übereinstimmend. In der
Interpretation der Faltengebung finden sich allerdings keinerlei Anklänge
an Gregor Krharts Art; hier geht der Schnitzer seine eigenen Wege und
orientiert sich mehr an der im Allgäu üblichen weichen und schmieg-
samen Finienführung, die zum Parallelfaltenstil überleitet. Zu dieser
Madonna in Amendingen 2 dtirften die beiden gleichgroßen Apostel Petrus
und Paulus im benachbarten Holzgünz (B.A. Memmingen) gehören, die
im Faltenwerk aufs Engste mit ihr übereinstimmen. Alle drei Figuren zeigen
sich nah verwandt mit den Schöpfungen aus der Werkstatt des Ivo Strigel,

Abb. 101. Aislingen

Pfarrkirche. Hl. Barbara.

1 Handwerkliche Ableger der Neidinger Bildwerke scheinen sich mir in fünf Figuren eines ehem. Altar-
schreins in Fsenhausen (O.A. Ravensburg) erhalten zu haben. Damit ist vielleicht ein Fingerzeig für die

Iyokalisierung dieser Werkstatt gegeben. Sicher hatte sie im siidlichen Schwaben ihren Sitz. Die Bsen-
hausener Bildwerke weisen vielleicht durch ihre Nähe von Ravensburg auf das dortige Kunstzentrum als
möglichen Heimatort des Meisters. 2 Die Madonna ist Privatbesitz und stand bislang in einer Feld-
kapelle bei Amendingen. Ilire Herkunft aus Hotzgiinz ist nicht gesichert, aber sehr leicht möglich.

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