Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0120
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ist 1. Als zweifellose Schöpfungen seiner Hand haben sich ganz oder teilweise
die Altäre von Ochsenhausen, Bingen und Ennetach, sowie clie in die Stutt-
garter Altertümersammlung gelangten Relieftafeln aus Zwiefalten erhalten.
Als gesicherte Werke des jiingeren Syrlin haben sie auch für uns den Aus-
gangspunkt der Betrachtung zu bilden.

Eaut Eintrag in der Klosterchronik 2 ist der Hochaltar der Klosterkirche
zu O c h s e n h a u s e n (O.A. Biberach) in den Jahren 1496 bis 1499 vom
jungen Syrlin geschasfen worden. Der Altar existiert heute nicht mehr.
Von den fiinf lebensgroßen Eiguren, die er enthielt, sind drei, die Madonna
(Abb. 118) und die Apostel Petrus und Paulus (Abb. 119 m 120) in die Pfarr-
kirche zu B e 11 a m o n t (O.A. Biberach) gelangt. Die übrigen zwei, ein hl.
Georg und ein hl. Benedikt, gingen verloren.

Auf Grund der engen stilistischen Beziehungen zu dem Ochsenhausener
Altarwerk hat Bauin auch die Schreinfiguren des Zeitblom-Altars zu
B i n g e n in Hohenzollern dem jüngeren Syrlin zugeschrieben. Die Gestalten
der beiden Apostelftirsten (Abb. 121 u. 122) stimmen bis in die kleinsten Ein-
zelheiten der Kopftj^pen und der Gewandgebung mit den entsprechenden
Figuren in Ochsenhausen überein. Auch die Madonna (Abb. 123), die hl.
Magdalena, sowie Johannes der Täufer (Abb. 124) lassen den nämlichen Stil
erkennen. Mit um so mehr Reclit müssen bei der engen Übereinstimmung die
Bingener Figuren als Schöpfung des jiingeren Syrlin gelten, als sie, wie Baum
gezeigt hat, das kiinstlerisch höherstehende Werk sind, während die Ochsen-
hauser Statuen mehr den Charakter werkstattmäßiger Wiederholung tragen.

1 I11 jüngster Zeit hat Feuerstein (Waren die beiden Siirlin wirklich Bildhauer? Jahrbuch der preuß.
Kunstsammlungen 48 s1927] S. 18 S.) die Bildhauertätigkeit Syrlins wieder in Frage gestellt. Bei dem
älteren Syrlin liegen die Dinge zweifellos verwickelt und sind heute noch nicht geklärt. Über die Bild-
hauertätigkeit Syrlins d. J. jedoch können keine Zweifel bestehen. Feuerstein stützt sich lediglich auf
die das Ulmer Vespertolium betrefiende Urkunde, aus der hervorgeht, daß Syrlin d. J. die Figuren
einem Andern in Auftrag gab und selbst nur die Schreinerarbeiten fertigte. Wenn Syrlin auch bei
diesem Friihwerk die figiirlichen Teile außerhalb seiner Werkstatt verdingt haben sollte, so muß er
doch sclion verhältnismäßig früh zur Bildnerei übergegangen sein. Das von Syrlin mit vollem Namen
signierte Grabmal des Hans von Stadion in Oberstadion aus dem Jahre ^489 ist ein rein figürliches
Werk. Es wäre wohl nicht gerade Syrlin in Auftrag gegeben worden, wenn er nur Schreiner gewesen
wäre. Auch die späteren ürkundlichen Zeugnisse, von Feuerstein kaum erwähnt, lassen eindeutig die
Bildschnitzertätigkeit Syrlins d. J. erkennen. Die Tafeln aus Zwiefalten sind nach den Annalen des
Klosters von _,,Georgio Suzlino et Christophoro Dangeisen“ gearbeitet. Deutlich lassen sich an diesen
Bildwerken zwei versehiedene Hände scheiden. Die Kreuzabnahme und die Grablegung zeigen aber
denselben Stil wie die Figuren des Altars von Ochsenhausen, der laut Inschrift (vgi. Anm. 2)
auch von Syrlin gefertigt worden war. Die stilistische Geschlossenheit der großplastischen Werke Syr-
lins und die urkundlichen Nachrichten stützen sich gegenseitig und beweisen damit seine Schnitzer-
tätigkeit. Die Stileinheit der Syrlinschen Werke ist Feuerstein gegenüber besonders hervorzuheben.
Daß sich, wie Feuerstein sagt, die Fntwicklungslinie einer fest umrissenen Bildhauerpersönlichkeit fiir
Syrlin iiberhaupt nicht ziehen läßt, kann angesichts der stilistischen Übereinstimmung der Ochsen-
hausener, Bingener und Zwiefaltener Arbeiten nicht behauptet werden. Bs gibt große Qualitätsschwan-
kungen im Schafien des jiingeren Syrlin, das hängt mit dem ausgedehnten Werkstattbetrieb zu-
sammen, aber die Einheitlichkeit des Stilcharakters bleibt in. allen größeren Schöpfungen gewahrt.
2 In den Acta abbatum Mon. Ochsenhusani ist der Altar beschrieben und die Inschrift, die er trug, zitiert:
hoc opus fabricavit Mag. Jörg Sürlin, civis Ulmensis incepit Anno 1496 perfecit Anno 1499. (vgl. Baum,
Ulmer Plastik S. 155). Da Syrlin d. Ä. 1491 gestorben ist, kann es sich bei dem Mag. Jörg Sürlin nur um
den Jiingeren handeln.

Il6
 
Annotationen