Sclion öfters ist der Versuch geniacht worden, den Altar von Reutti
kunstgeschichtlich einzureihen. Marie Schütte 1 bringt ihn vor allem mit
dem ähnlich komponierten, aber in der Ausführung weit ssaueren Marien-
tod in Tauberbischofsheim in Verbindung, der nach unserer Meinung 2 zum
Schaffner-Kreis gehört. Baum 3 sieht in dem Reuttier Altar und dem Ber-
liner Sippenrelief Werke des gleichen Meisters und schreibt sie beide dem
Daniel Mauch zu. Die engste Zusammengehörigkeit des Altars von Reutti
und der Berliner Sippe wird auch in unseren Ausführungen betont. Der
einzige Unterschied besteht darin, daß sich aus dem ganzen Zusammen-
hang unserer Darlegungen der jiingere Syrlin als der Urheber auch clieses
wichtigen Altarwerkes ergibt.
Auch in dem Altar von Reutti wird man zu großen Teilen eine eigen-
händige Arbeit des Künstlers sehen diirfen. Die Ulmer Plastik hat nicht
viel, was an individuellem Ueben und Feinheit der Detailbehandlung (man
beachte die Hände!) cliesem Werk an die Seite gestellt werden kann. Ganz
allein in seinem Kreis steht es hinsichtlich der sonst ortsfremden dramati-
schen Belebung der Handlung, die auch von einer iiber das gewohnte Maß
hinausgehenden Bewegung in der Uinienführung begleitet wird. Die fiir
einen alternden Meister erstaunliche Fähigkeit zur Aufnahme neuer Ein-
driicke, die ganze Frische und Uebendigkeit, die aus diesem Werke spricht,
darf uns gleichwohl nicht die geradlinige Entwicklung iibersehen lassen, die
trotz allem das Syrlinsche Oeuvre bewahrt. Die Kontrastierung mit späten
Arbeiten seiner Werkstatt, die von andern Händen stammen, wird uns
dariiber noch Aufscliluß zu geben haben.
Daß es sich bei dem Altar von Reutti um eine Arbeit aus Syrlins letzter
Zeit handeln muß, geht aus der ganzen stilistischen Haltung hervor. Zur
Datierung bieten sich am Altar zwei Jahreszahlen. 1498 steht auf der nörd-
liclien Schmalseite des Schreins. Auf der Predellenleiste dagegen findet sich
die Inschrift: Pro laude ihu almeque marie virginis Paulus iunior suorum
progenitorum ruffus 4 ob solamen hanc tabulas solvit 1519. Die fortge-
scliritteue Formensprache, wie sie der jugendlich-runde Kopftypus der
Maria verrät, und wie sie ebenso aus der starken Bewegung in der Uinien-
fiihrung und aus der Gruppenbildung spricht, läßt keine Wahl zwischen
den beiden Daten. Wie schon Baum 5 richtig hervorgehoben hat, kann nur
die in der ausführlichen Inschrift entlialtene Jahreszahl 1519 als das Datuin
der Entstehung in Betracht kommen 6. Der Altar gehört zu den spätesten
Schöpfungen der Syrlinschen Werkstatt. Die stilistische Entwicklung dieser
Spätzeit wird sich klarer abheben, wenn wir im nächsten Abschnitt nocli
weitere Arbeiten dieser letzten Periode heranziehen.
1 a. a. O. S. 256. 2 vgl. unten S. 270 fs. 3 Ulmer Plastik S. 116 und Altschwäbische Kunst S. 91-
4 ruffus = Rot. Das Ulmer Patriziergeschlecht der Rot hatte das' Patronat üher die Kirche. 5 Ulmer
Plastik S. 115. 6 Das frühe von 1498 dürfte sich nur auf den Schrein beziehen oder es ist bei seiner Her.
stellung ein altes mit diesem Datum versehenes Brett verwendet worden.
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kunstgeschichtlich einzureihen. Marie Schütte 1 bringt ihn vor allem mit
dem ähnlich komponierten, aber in der Ausführung weit ssaueren Marien-
tod in Tauberbischofsheim in Verbindung, der nach unserer Meinung 2 zum
Schaffner-Kreis gehört. Baum 3 sieht in dem Reuttier Altar und dem Ber-
liner Sippenrelief Werke des gleichen Meisters und schreibt sie beide dem
Daniel Mauch zu. Die engste Zusammengehörigkeit des Altars von Reutti
und der Berliner Sippe wird auch in unseren Ausführungen betont. Der
einzige Unterschied besteht darin, daß sich aus dem ganzen Zusammen-
hang unserer Darlegungen der jiingere Syrlin als der Urheber auch clieses
wichtigen Altarwerkes ergibt.
Auch in dem Altar von Reutti wird man zu großen Teilen eine eigen-
händige Arbeit des Künstlers sehen diirfen. Die Ulmer Plastik hat nicht
viel, was an individuellem Ueben und Feinheit der Detailbehandlung (man
beachte die Hände!) cliesem Werk an die Seite gestellt werden kann. Ganz
allein in seinem Kreis steht es hinsichtlich der sonst ortsfremden dramati-
schen Belebung der Handlung, die auch von einer iiber das gewohnte Maß
hinausgehenden Bewegung in der Uinienführung begleitet wird. Die fiir
einen alternden Meister erstaunliche Fähigkeit zur Aufnahme neuer Ein-
driicke, die ganze Frische und Uebendigkeit, die aus diesem Werke spricht,
darf uns gleichwohl nicht die geradlinige Entwicklung iibersehen lassen, die
trotz allem das Syrlinsche Oeuvre bewahrt. Die Kontrastierung mit späten
Arbeiten seiner Werkstatt, die von andern Händen stammen, wird uns
dariiber noch Aufscliluß zu geben haben.
Daß es sich bei dem Altar von Reutti um eine Arbeit aus Syrlins letzter
Zeit handeln muß, geht aus der ganzen stilistischen Haltung hervor. Zur
Datierung bieten sich am Altar zwei Jahreszahlen. 1498 steht auf der nörd-
liclien Schmalseite des Schreins. Auf der Predellenleiste dagegen findet sich
die Inschrift: Pro laude ihu almeque marie virginis Paulus iunior suorum
progenitorum ruffus 4 ob solamen hanc tabulas solvit 1519. Die fortge-
scliritteue Formensprache, wie sie der jugendlich-runde Kopftypus der
Maria verrät, und wie sie ebenso aus der starken Bewegung in der Uinien-
fiihrung und aus der Gruppenbildung spricht, läßt keine Wahl zwischen
den beiden Daten. Wie schon Baum 5 richtig hervorgehoben hat, kann nur
die in der ausführlichen Inschrift entlialtene Jahreszahl 1519 als das Datuin
der Entstehung in Betracht kommen 6. Der Altar gehört zu den spätesten
Schöpfungen der Syrlinschen Werkstatt. Die stilistische Entwicklung dieser
Spätzeit wird sich klarer abheben, wenn wir im nächsten Abschnitt nocli
weitere Arbeiten dieser letzten Periode heranziehen.
1 a. a. O. S. 256. 2 vgl. unten S. 270 fs. 3 Ulmer Plastik S. 116 und Altschwäbische Kunst S. 91-
4 ruffus = Rot. Das Ulmer Patriziergeschlecht der Rot hatte das' Patronat üher die Kirche. 5 Ulmer
Plastik S. 115. 6 Das frühe von 1498 dürfte sich nur auf den Schrein beziehen oder es ist bei seiner Her.
stellung ein altes mit diesem Datum versehenes Brett verwendet worden.
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