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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0219
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der Gewandgebung könnte etwa auf die beiden Apostel (Abb. 231 u. 232)
der Haidkapelle verwiesen werden.

Die Beziehungen des jüngeren Syrlin zu der Werkstatt des Nikolaus
von keiden, genauer gesagt zu den Balustradefiguren des Friedriehsgrab-
nrals, bilden den Kernpunkt unserer Feststellungen.

Alles Weitere tiber die Art, wie diese Berührnng er-
folgt ist, und wann sie anzusetzen sein wird, muß
hypothetisch bleiben. Zunr erstennral treten uns
bei denr jüngeren Syrlin das sichere plastische Ge-
fiihl und die klare Finienführung, wie sie fiir die
Werke der 90er Jahre bezeichnend sind, an denr
Sebastiansaltar der Neithartkapelle (1492?) ent-
gegen. Ihren Höhepunkt erreicht diese Richtung
in den monunrentalen Figuren des Bingener Altars.

Die Ansätze, die von hier aus zur Renaissance hät-
ten fülrren können, hat Syrlin nicht weiter verfolgt.

Mehr und nrehr macht sich nach der Jahrhundert-
wende eine Neigung zu graziöser Zierlichkeit und zu
unruhigenr Dinienspiel geltend. Der Adelberger Altar
von 1511 läßt vielleicht zunr letztennral einen An-
klang an den nronumentalen Stil der friiheren Zeit
erkennen. Eine nrehr biirgerlich-intinre Auffassung
tritt schon bei denr Talheimer Altar und dem Ber-
liner Sippenrelief an die Stelle der repräsentativen
Grundstimmung der Bingener Gestalten. Den Sieg
spätgotischen Empfrndens bezeichnen die Werke
der letzten Schaffensjahre, die sich um den Altar
von Reutti (1519) gruppieren. In dem Dinien-
gestrudel der Falten, der jugendlichen Grazie und
der behutsanren Zaghaftigkeit der Figuren leben
die Tendenzen der ausgehenden Gotik zum letzten-
nral aüf. Ähnlich wie Rienrenschneider bleibt Syrlin
bis zunr Ende seiner Wirksanrkeit Spätgotiker. Der konservative Zug nracht
sich immer wieder geltend. Gerade diejenigen Werke, die wir mit der
größten Sicherheit als seine eigenhändigen Arbeiten ansprechen dürfen,
lassen das Beharren bei den gotischen Traditionen anr stärksten erkennen.

Die späteren Jahrzehnte der Wirksamkeit Syrlins lassen aber noch eine
weitere Tatsache in die Erscheinung treten. Neben denr Meister steht die
Werkstatt, neben Syrlins persönlicher Art der Stil seiner Gesellen. Wir
haben zeigen können wie sehr sich trotz genreinsanrenr Typenschatz die
Unterschiede der formalen Interpretation nrehren. Die verschiedensten
Richtungen stehen nebeneinander oder lösen sich ab. Wesentlich nroderner

Abb. 241. Konstanz
Münster.

Hl. Pelagius eines Chorstuhls.

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