Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0235
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Flimmern und Verssießen der Formen abzielende Behandlung der Gewan-
dung, sowie eine Neigung zu bewegter Finienführung und kontrast-
reicher plastischer Gestaltung, wie wir sie im Gegensatz zu Syrlins per-
sönlichem Stil bei manchen Werkstattarbeiten seiner spätesten Jahre
angetroffen haben.

Man kann bei den Dürmentinger Figuren im Zweifel sein, ob sie noch
als Werkstattgut Syrlins zu gelten haben, oder ob sie bereits einem selb-
ständigen Schnitzer zuzuweisen sind. Fiir die letztere Annahme sprechen
in dem gleichen westlichen Ausstrahlungsgebiet der Ulmer Plastik eine
Reihe weiterer Arbeiten, die mit den Dürmentinger Figuren den Grund-
bestand Syrlinscher Formmotive teilen und diesen in dem gleichen Sinne
weiterentwickeln. In den Mittelpunkt -können die Skulpturen eines Altar-
schreins gestellt werden, die sich in der Kirche zu Z e 11 a m A n d e 1 s -
b a c h (Amt Pfullendorf) finden. Auch in diesem Fall müssen wir uns den
ehemaligen Bestand aus verstreuten Resten rekonstruieren. Auf dem
modernen Hochaltar in Zell stehen ein hl. Petrus und ein hl. Paulus (Abb.
262 u. 263), an den Wänden hängen in modernen Rahmen die Relieffiguren
der Heiligen Katharina und Barbara (Abb. 266), die wohl ursprünglich die
Flügel eingenommen haben. Als zugehörige Madonna dtirfte die in der
neuen Kapelle des Filialdorfs Motschies stehende Muttergottes (Abb.
201) angesehen werden. Sie zeigt die gleiche Höhe wie die beiden Apostel
und geht auch stilistisch mit den übrigen Skulpturen zusammen.

Wiederum begegnen wir bei dieser Madonna dem festen Schema der
Syrlinwerkstatt, das schon die Madonna aus Dürmentingen bot. Auch bei
den übrigen Figuren wirkt in der Wahl der Faltenmotive und ihrer Ge-
staltung die Syrlinsche Werkstatt-Tradition deutlich nach. Persönliche
Züge machen sich daneben geltend, die schon in Dürmentingen vorgebildet
erscheinen. Die derben knochigen Gesichter mit den dicken Nasen und der
struppigen Haar- und Barttracht, wie sie die beiden männlichen Heiligen
zeigen, können an den Dürmentinger Petrus erinnern. Stärkere Betonung
noch als dort finden die dekorativen Tendenzen und die Neigung zu be-
wegter Uinienführung. Charakteristisch für den Zeller Meister sind die
ssatternden Zipfel des Mantels, wie sie bei der hl. Barbara auftreten, und
die straffe Kinrahmung der Figur durch zwei große siankierende Faltenziige,
wie sie besonders ausgeprägt bei der hl. Katharina erscheinen. Bereits bei
den beiden Aposteln zu Dürmentingen prägen sich diese Besonderheiten
aus. Kinen neuen Zug bringt gegeniiber den Diirmentinger Skulpturen der
grazile Bau und die modische Tracht der weiblichen Figuren. Die Neigung
zu graziöser Zierlichkeit der Haltung, die Vorliebe fiir kunstvolle Frisuren
und reichgeschmückte Gewandborten läßt sich auch im Kreise der spätesten
Arbeiten der Syrlinwerkstatt belegen. Diirfen wir die Skulpturen des Altars
von Zell am Andelsbach dem gleichen Meister geben, von dem die Dürmen-

231
 
Annotationen