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In der Werktagsansicht des Altars waren die Flügel einmal auseinandergeklappt, so daß die
Innenseiten der Außenflügel und die Außenseiten der Innenflügel zusammen eine Bildwand in
der doppelten Breite des Schreines darboten. Auf den 16 gemalten Tafeln, die zu je 8 überein/
ander geordnet sind, wird die Geschichte von Johannes d. T. erzählt, dem Kirche und Altar
geweiht waren, ausführlich und anschaulich, wie es die Zeit liebte. Ihr Stil ist nicht einheitlich.
Der Ulmer Zeitblom und andere Maler, aus denen Bernhard Strigel fortschrittlich hervorragt,
haben die Gemälde des Altars, zu denen auch noch Heiligengestalten auf der Rückwand des
Schreins und an den überhöhten Flügeln gehören, geschaffen15.
Die Feiertagsansicht, als die prunkvollste, zeigt den Altar mit geöffnetem Schrein (Taf. io u. n).
In dieser Form ist er ganz auf dieWirkung der Plastik abgestellt und geht in dem irrationalen
Liniengeflecht seiner Teile die innigste Verbindung ein mit der umgebenden Architektur bis
zu den Verflechtungen des spätgotischen Gewölbes. Vor golddamasziertem Hintergrund erheben
sich fünf lebensgroße Figuren, auf Konsolen stehend und von Maßwerkbaldachinen überdacht,
die trotz des reichen Blatt/ und Blumengeschlinges blockhaft dem Rahmen des Schreins einge/
fügt sind. In der Mitte, erhöht, die Madonna mit dem Kind, von Engeln gekrönt, ihr zur
Rechten, der Titelheilige Johannes der Täufer und der Hl. Benedikt, der Stifter des Benedik/
tinerordens, zu ihrer Linken Johannes Ev. und die Hl. Scholastika, die Schwester des
Hl. Benedikt, in der Ordenstracht der Benediktinerinnen. Die beiden Hauptheiligen
der christlichen Kirche, Petrus und Paulus, finden noch in Reliefs an den Außenschmal/
Seiten des Schreines Platz. Von den Flügeln erscheinen bei geöffnetem Schrein die Innen/
Seiten der Innenflügel mit zwei Reliefdarstellungen aus dem Marienleben, links der Geburt und
rechts der Anbetung der Könige. Die Predella birgt die Büsten von Christus mit den zwölf
Aposteln. Zu der überzeitlichen Darstellung der christlichen Heilsgeschichte und ihrer Verkünder
treten noch kleine lokal/ und zeitgebundene Figuren, die den Blaubeurer Altar eindeutig in den
Zusammenhang der Kirche stellen, für die er bestimmt war. An den Seitenwangen der Predella
sind in Büstenform die Reliefs von den beiden Stiftern angebracht, denen das Kloster einst sein
Entstehen zu verdanken hatte, dem Pfalzgrafen von Tübingen und dem Grafen Ruck, und in
den kleinen Rechtecken an den oberen Flügelecken, die durch die Überhöhung der Schrein/
mitte bedingt sind, erscheinen die beiden zeitgenössischen Förderer des Klosters, Graf Eberhard
im Bart und Abt Fabri, unter dessen Regierung der Blaubeurer Altar bestellt und geschaffen
worden ist. Es sind Erinnerungsbilder allgemeiner Art, wie sie der Pietät der Nachfahren und
dem Wunsch der Stifter entspringen mochten, ohne Anspruch auf Porträtähnlichkeit16. Das
Wappen des Abtes Fabri, das auf seinen deutschen Namen Schmid anspielt, ein Hufeisen mit
zwei gekreuzten Nägeln, findet sich am Sockel der Madonnenstatue.
So umfassend das inhaltliche Programm und so groß die Ausmaße des Altars sind, so bietet er
doch in seinen plastischen Teilen einen völlig einheitlichen Anblick. Ein künstlerischer Wille
15. Vgl. Voegelen, Studien zum Hochaltar von Blaubeuren, Monatshefte für Kunstwissenschaft VII(i9l4)S.48ff. mitAngabe der älteren
Literatur und Buchner, Der Meister der Tafeln des Blaubeurer Altars, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst N. F. I (1924) S. joyf.
16. Vgl. Fleischhauer, Die Bildnisbüsten des Blaubeurer Hochaltars, Münchner Jahrbuch d. bild. Kunst N.F. XIII (1938/39) S. 50fr.
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