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DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER RENAISSANCE

Die Vanitasgruppe dürfte um 1500 entstanden sein, und man mag sich vorstellen, daß der Reichs/
tag, der in diesem Jahr in Augsburg abgehalten wurde, den fürstlichen Besteller in die Lechstadt
geführt hatte. Sie ist, soweit wir sehen, das erste profane Werk, das Gregor Erhärt geschaffen hat,
und der erste Auftrag, der nicht von der Kirche ausging. Ein Symptom für den grundsätzlichen
Wandel der kulturellen Struktur und der Weltanschauung, der sich vollzog. Die Auseinander/
Setzung mit der Renaissance war nun nicht länger aufzuhalten. Die Anregungen boten sich von
allen Seiten. Da waren die großen Kaufherren, die von ihren Reisen aus Italien zurückkamen,
mit einem neuen Begriff von bildender Kunst, aber auch mit neuen Ansprüchen für ihre Aufträge,
die von der Absicht getragen waren, ein Mäzenatentum zu schaffen, das den Vorbildern der
italienischen Handelsfürsten verglichen werden konnte. „Augsburg ist ein deutsches Florenz und
die Fugger sind den Medicis an die Seite zu stellen“ hat Melanchthon geäußert30. Da war andrer/
seits jener Humanistenkreis in Augsburg, die Sodalitas Litteraria Augustana, die unter der
Führung von Konrad Peutinger, dem Freunde Dürers und Vertrauten Kaiser Maximilians,
historisch/literarische Studien trieb, die der Erforschung der Antike wie der Vergangenheit der
Heimat in gleicher Weise galten31. Die archäologischen Interessen des Kreises führten nicht nur
zu einer leidenschaftlich gepflegten Epigraphik, sondern auch zu einem Sammlertum großen
Stils. Antike Statuen aus Italien und aus der römischen Vergangenheit Augsburgs bildeten u. a.
den weitberühmten Schatz der Sammlungen von Raimund Fugger und von Peutinger32. Bei
der absoluten Verehrung, die der ganzen Antike gezollt wurde, mußte sich das Auge an solchen
Werken schärfen und zu einem Vergleich mit den heimischen Schöpfungen herausfordern.
Endlich aber war es das Gefühl der deutschen Künstler selbst, das einen Ausweg suchte aus den
übersteigerten Formen, den Verkünstelungen der Linienverschränkung und dem Flimmer be/
wegter Flächen, in die die Spätgotik gemündet war und das nach einer Klärung und Verein/
fachung der Formensprache, einer organischen Erfassung der Wirklichkeit verlangte. In Italien
war inzwischen eine Kunst erstanden, die auf dem Boden der Antike fußend, diesen Forderungen
nach einer Erhöhung der Wirklichkeit durch einfach/große Form Gestalt verliehen hatte.
Mittelbar oder unmittelbar war es die Kunst Italiens, an der die deutschen Meister nach der
Jahrhundertwende ihre Werke prüften, um zu einer eigenen neuen Gestaltung,zu gelangen.
In Augsburg ist Gregor Erhärt vielleicht der erste Künstler, sicher der erste Bildhauer, der sich mit
der Renaissance ernsthaft auseinandersetzt. Acht Jahre nach seiner Übersiedelung, im Jahre 1502,
trifft ihn der große Auftrag, der ihm Gelegenheit gibt, Großplastik in den neuen Formen des
16. Jahrhunderts zu gestalten. Es ist der Hochaltar für die Zisterzienser/Klosterkirche von Kaisheim
bei Donauwörth, von dem der Chronist33 erzählt, daß der Abt „ain costlich chortaffel machen
30. VgL Winker, Jacob Fugger der Reiche (München 1940) S. 204(1'. 31. VgL König, Peutingerstudien (Freiburg 1914) S. 22.
32. VgL Hauttmann, Dürer und der Augsburger Antikenbesitz, Jahrbuch der Preuß. Kunstsammlungen 42 (1921) S. 34fr.
33. Knebel d. Ä., Chronik von Kaisheim, 1531. Handschrift im Allgemeinen Reichsarchiv München, Bl. 226. Abgedruckt bei
Hüttner, Bibliothek des literar. Vereins in Stuttgart Bd. 226 (Tübingen 1902) S. 354.
 
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