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ließ, daran die besten III maister zu Augspurg haben gemacht, als sy zu der zeit weit und prait
mochten sein, der schreiner mayster Adolf Kastner in Kaisshamer hof, pildhauer maister Gregori,
der maler Hanns Holpain. Die taffel gestond vil geldts.“ Der Altar ist in der Barockzeit durch
einen neuen ersetzt worden; nur die Flügelgemälde haben sich erhalten, sie werden in der Alten
Pinakothek in München aufbewahrt. In diesen Altar gehörte höchstwahrscheinlich die große
Schutzmantelmadonna im Deutschen Museum in Berlin (Taf. 58, 60, 61), die heute den Aus/
gangspunkt der ganzen Erhart/Forschung bildet. Gesichert ist, daß sie aus Kaisheim stammt und
in Augsburg angekauft wurde. Die außergewöhnliche Größe und die künstlerische Bedeutung
des Bildwerks, der Umstand, daß sie ihrer stilistischen Haltung nach in die Zeit um 1502 paßt,
daß sie in ihrer schmalen Bildung der Ergänzung durch Nebenfiguren in einem Altarschrein
bedarf und daß die Schutzflehenden unter ihrem Mantel Zisterzienser sind — all das spricht dafür,
daß sie für den Hochaltar geschaffen war und somit ein Werk Gregor Erharts ist. Ihre stilistische
Verwandtschaft mit der Madonna von Blaubeuren illustriert außerdem die Verlegung der Werk/
statt des ausführenden Meisters von dem früheren Kunstzentrum Ulm nach dem späteren Augs/
bürg, ein Ortswechsel, der ja für Gregor Erhärt bezeugt ist.
Hochaufgerichtet, aber in biegsamer Elastizität steht die Madonna da, das linke Bein entlastend
vorgestellt und das Gewicht auf die rechte Seite verlegt, der Kopf und Schulter sich zuneigen.
Einfach und natürlich fallende Faltenzüge gliedern die Figur und machen den Körper für das
Auge deutlich. Der Ausrichtung der Figur nach Vertikalen und Horizontalen sind alle Einzel/
heilen unterstellt: die hochstehende Mondsichel (deren Verwendung im Zusammenhang mit dem
Schutzmantelmotiv auch ikonographisch eine Neuform bedeutet), die in die Tiefe gestaffelten,
übereinander angeordneten Schutzflehenden unter der rahmenden Hülle des Mantels, der Fluß
von Haaren und Schleiertuch einerseits — sein verebbendes Schwingen unter dem kontrapostisch
bewegten quergelagerten Kind und die symmetrische Haltung von Marias stützenden Händen
andrerseits. Das alles sind neue Errungenschaften einer geklärten Formensprache, denen gegen/
über Mängel wie das zu tief gesetzte Knie kaum mitsprechen. Erstaunlich sicher ist dieser frühe
Versuch einer Gestaltung nach den Formprinzipien der neuen Zeit und ganz vom Wesentlichen,
vom Organischen, von der Körperbehandlung her erfaßt. Alles Beiwerk, das in der Kunst der
Spätgotik so stark mitspricht, ist ausgeschaltet. Die Einzelcharakterisierung der Nebenfiguren hat
an Intensität noch zugenommen. In köstlicher Frische ist der munter zappelnde Knabe gegeben
und die schutzbefohlenen Mönche sind trotz der fehlenden Nasen von unmittelbarer Lebendig/
keit. Die alte Fassung erhöht noch diesen Eindruck.
Der Zusammenhang der Kaisheimer Schutzmantelmadonna mit den anderen Madonnen Gregor
Erharts ist trotz des erfolgten Stilwandels deutlich genug. Besonders zur Blaubeurer Gottesmutter
bestehen engste Beziehungen. Der Faltenstil ist derselbe geblieben. Von oben bis unten gleich
dicke Röhrenfalten, die gelegentlich durch tiefe senkrechte Kerben geteilt werden, gliedern die
Gewandung und stauen sich in Dreieckformen am Boden. Der Kopftypus geht auf die nämliche
Anlage zurück: Die gewölbte Stirn mit dem hohen Scheitelansatz, die flach liegenden Augen
über hoch geschwungenen Brauen, die Faltensäckchen unter den Lidern, die schmale Nase, das

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