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Oxé, August
Arretinische Reliefgefässe vom Rhein — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 5: Frankfurt a. Main, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.44799#0054
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Kelchen VIII (LVII1) 22. 2^, ist diese Kelchform viel gedrückter. Auch das Verhältnis der Bild-
fläche zum Rand ist unschöner: das Bildfeld, viel zu niedrig, wirkt wie ein Wohnraum mit ganz
niedriger Decke.
Da aber die Typen dieser Szene für die älteren, mehr eiförmigen Kelche mit hohem
Bildfelde zugeschnitten waren, beeinträchtigte die verfehlte Kelchform auch die dargestellte Relief-
szene. Erstens ist das dicke Polster, auf dem die Gesellschaft liegt und das in freihändiger
Zeichnung ringsum gezogen ist, so tief geraten, daß bei der gewöhnlichen Stellung des Gefäßes
die Füße des Sofas nicht sichtbar sind und der Eindruck erweckt wird, als lagerten die Perso-
nen auf einem am Boden liegenden Polster. Trotzdem ragen zweitens die Lagernden mit dem
Kopf so hoch, daß stellenweise für den Eierstab kein Platz übrig bleibt und er einfach aussetzt,
ein ebenso unschöner Anblick, wie die Zahnlücken eines offenen Mundes. Es geht daraus her-
vor, daß beim Herstellen der Formschüssel dieser Former, nicht wie andere, zuerst den Eierstab
anlegte und dann das Bildfeld bevölkerte, sondern den Eierstab zuletzt anbrachte. An dieser
technischen Eigentümlichkeit sind, wie wir sehen werden, noch eine Reihe anderer Reliefkelche
kenntlich, die demselben ‘Former’ verdankt werden. Wir bezeichnen ihn daher zum Unterschied
von anderen anonymen Arbeitern des 7-te/wz/zwzs-Betriebes als den ‘Meister mit den Zahnlücken’.
Ein weiteres Kennzeichen seiner Reliefgefäße ist sein zweizeiliger Töpferstempel. Vier Buch-
staben darin sind sonderbar. Die beiden mittleren Balken des M reichen nicht, wie es für ein
lateinisches M sich gehört, bis auf den Boden, sondern nur bis zur halben Höhe, wie bei einem grie-
chischen M; das P ist geschlossen wie ein griechisches P, und die beiden dem Griechischen
fremden Buchstabenformen R und G sind ganz abnorm gebildet. Offenbar war der Former, der
diesen Namensstempel geschnitten hat, ein Grieche, der mit dem lateinischen Alphabet nicht recht
vertraut war.
Der Xantener Pe/'^ZZZZZ’ZZS-Kelch beansprucht nicht nur unter den rheinischen Funden, son-
dern in der arretinischen Reliefkeramik überhaupt einen hervorragenden Platz, weil seine Zeit
ziemlich bestimmt und sicher festgestellt ist dank der Sorgfalt, mit der die gleichzeitigen Bei-
funde erhoben und veröffentlicht sind. Nach Hagens Angaben (B. J. 122, 4o8) weisen diese
etwa in die Zeit um 10 vor Chr.
Die Figur des stehenden Leierspielers neben dem rechten Ende einer Kline begegnet auf
der Asberger Scherbe XV 70, nach dem Eierstab zu urteilen, eine Arbeit desselben Meisters;
ebenso auf der Neußer Scherbe VII ig wiederum am Ende einer Kline stehend. Leierspieler
und Flötistin auf den beiden Bostoner Stücken Boston XXV 44 und 45-
Es sei noch auf folgende 11 Parallelen hingewiesen, die sich entweder durch die Lücken
im Eierstab oder den Stempel als Arbeiten dieses Meisters ausweisen:
1. Das Heidelberger Stück XXVIII 120.
2. Der Kantharos mit dem „Dionysischen Opfer“, Berliner Antiquarium Nr. 3371, hier
XXV/XXVI 116.
3. Kelchstück mit demselben Stempel und Randprofd LIII 231.
4. Kelchstück mit demselben Eierstab und Randprofd LIII 225.
5. 6. Formschüsseln aus Arezzo, Boston X 29. XXVII 81.
7. Formschüssel aus Arezzo, Brit. Mus., Katal. Walters, S. 30, L 98 = Fig. 24.
8. 9. Formschüsseln aus Arezzo, im Nat.-Mus. Florenz, kenntlich am Stempel. Auf einer
ist ein Symplegma dargestellt.
10. Kelchstück aus Arezzo, im Nat.-Mus. Florenz, kenntlich am Stempel. Auf einer Säule
mit Längsrillen ein Standbild der Athene mit Schild.
11. Kelchstück LIII 230, wegen gewisser Ähnlichkeiten mit Boston X 29 und XXVII 81.
An dem vorliegenden Material läßt sich schon jetzt eine für die allgemeine Zeitbestimmung
der arretinischen Reliefgefäße wertvolle Beobachtung machen. Die senkrechte Lippe des aus-
ladenden Kelchrandes wurde damals noch nicht rädchenverziert, sondern blieb glatt und hatte
höchstens ganz oben eine zarte Rille. Es müssen also die Reliefgefäße mit dem ‘großen’ Doppel-
 
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