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VIERTER TEIL: DIE MALER

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Zeichnung nach dem Revaler Totentanz-Fragment von Notke. 1463

steht jetzt eine Kontrollmöglichkeit zu Gebote. Ich glaube im vorigen Teil meines Buches nach-
gewiesen zu haben, welche Skulpturen des Notke-Kreises auf Grund der urkundlichen Angaben
über Notkes Schadenszeit und Charakter dem Meister selbst zuzuschreiben sind (266). Stimmen
die besagten Gemälde stilistisch mit diesen Skulpturen genügend überein, was ich glaube nach-
weisen zu können, so dürfen sie mit größter Wahrscheinlichkeit als Schöpfungen von Notkes
eigener Hand gelten.

1. DIE TOTENTANZZYKLEN IN DER MARIENKIRCHE ZU LÜBECK
UND IN DER NIKOLAIKIRCHE ZU REVAL
1463
Der Lübecker Totentanz ist zuerst von Bruns und dann von Heise versuchsweise dem Bernt
Notke zugeschrieben worden. Nach der Vermutung der beiden Forscher wird er das Werk
gewesen sein, durch das sich der junge Meister in Lübeck einen Namen und eine bevorrechtete
Stellung außerhalb des Maleramtes machte.
Diese Annahme ist durchaus möglich. Der Totentanz entstand nach Ausweis einer früher an ihm
vorhandenen Inschrift im Jahre 1463. Er könnte also sehr wohl das erste große, selbständige Werk
Notkes gewesen sein, denn dieser hatte bekanntlich vier Jahre später, im Jahre 1467, aus dem die
erste erhaltene urkundliche Nachricht über ihn stammt, bereits jene bevorrechtete Stellung inne
und hatte außerdem damals bereits Schüler bis zur Meisterreife ausgebildet. Versucht man, die
gegebene Möglichkeit der Urheberschaft Notkes stilkritisch auf ihre Wahrscheinlichkeit hin zu
überprüfen, so stößt man freilich auf zwei sehr ernstliche Hindernisse: erstens sind die ältesten
Schnitzwerke des Meisters, die für einen Vergleich vornehmlich in Betracht kommen, um zwölf
Jahre - also um eine sehr beträchtliche Zeitspanne! - jünger als der Totentanz (267); zweitens ist
dieser nicht mehr das Original vom Jahre 1463, sondern eine Kopie des Malers Anton Wortmann
vom Jahre 1701 (268).
Besonders der letzterwähnte Umstand erschwert eine stilkritische Einordnung des Totentanzes
sehr, ja er erfordert als Voraussetzung dafür die Gewinnung einer genaueren Vorstellung von dem
verlorenen Original. Diese Vorarbeit hat nun Carl Georg Heise geleistet. Er kam zu dem über-
raschenden Ergebnis, daß das Totentanzfragment in der Revaler Nikolaikirche ein Überrest des
Lübecker Originals sei (269).
366) Vgl. s. 39.
367) Der Totentanz entstand 1463. Die ältesten erhaltenen Skulpturen stammen aus der Zeit um 1475/77
(Kirke Stillinge, Lübecker Triumphkreuz usw.).
268) Ygi Heise, Z. d. D. V. f. Kw. 1937, 187 (Urkunden).

369) Vgl. Heise a. a. O. R.
 
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