Katalog I (Flachreliefschalen).
27
c) München. Sammlung Arndt. Ohne Inschrift.
Ein Jüngling in hohen Stiefeln und mit einer Chlamys, die ihm vom linken Arm
herabfällt, bekleidet, entfernt sich in heftiger Bewegung nach links von einem Altar,
auf dem sich ein bindenumwundener Omphalos befindet, indem er in der Linken
den Bogen hält und mit der Rechten aus dem Köcher, auf den ein Band um die
Brust hinweist, einen Pfeil zu nehmen scheint. Hinter dem Altar rechts eine weib-
liche Gestalt in aufgeregter Haltung, mit ärmellosem gegürteten Chiton bekleidet,
mit der Linken einen Gewandzipfel fassend und die Rechte abwehrend gegen den
Bogenschützen vorstreckend.
Die Inschrift ist, wie es scheint, bei b erhaben ausgeführt, bei a ist sie dagegen
in die Form hineinpunktiert. Bei a und c erkennt man über dem ausgestreckten
Arm der weiblichen Gestalt deutlich einen hochstehenden Dreifuß.
An den Raub des Dreifußes durch Herakles oder die Plünderung des Delphi-
schen Pleiligtumes durch die Gallier, Ereignisse, auf welche die deutlich verteidigende
Haltung des Gottes hinweisen könnte, ist nicht zu denken, da der Dreifuß noch auf
seinem Platze steht und Artemis, für die wir die weibliche Gestalt dann in Anspruch
nehmen müßten, keinen Grund hatte, die Gallier vor dem Zorn ihres Bruders zu
bewahren.
Benndorfs Erklärung als »Apollo und Marpessa« hat die größte Wahrscheinlich-
keit für sich: Idas hat Marpessa geraubt und auf Poseidons Flügelwagen entführt;
Apollo stellt ihn in Messenien und bedroht ihn, doch Idas richtet den Bogen gegen
den Gott selbst. Die Jungfrau schlichtet den Streit, indem sie sich für den mensch-
lichen Freier entscheidet (Apollodor. I 7, 8. Jahn, Archäol. Aufs. 46 ff.). Apollo
ist auf unserem Relief unzweifelhaft. Schwieriger ist die weibliche Gestalt zu be-
nennen. Artemis, die sie der Tracht nach darstellen könnte, hat mit unserer Sage
nichts zu tun, an Iris, welche auf uns erhaltenen Monumenten als Botin des höchsten
Gottes des öfteren den Streit schlichtet, zu denken, verbietet die Flügellosigkeit
(Jahn a. a. 0. 47. Etrusk. Spiegel b. Gerhard II 80. V II. Gaz. arch. VI 1880 pl.17.
Gerhard auserles. Vasenb. I 46, I S. 169. Roscher, Mythol. Lexik, s. v. Idas 103.
Furtwängler-Reichhold XVI Text 76). So werden wir an Marpessa selbst denken
müssen, indem wir annehmen, daß in irgendeiner Version der Sage Marpessa sich
zwischen die Kämpfenden warf. Der Ort der Handlung ist hier nicht Messenien,
sondern Delphi, wie Omphalos und Dreifuß beweisen. (Zum Omphalos auf altar-
ähnlichem Untersatz s. Karo, »Omphalos« 13 Fig. 4; aus Daremberg-Saglio, Dict.
des ant.) Das als metrisch unmöglich von Fröhner (Rhein. Mus. XLVII 1892
291) in Eoavoo geänderte ex vaoö des bei Pausanias (V 18, 2) überlieferten Distichons
an der Kypseloslade:
Goa? MapftpjöiJav xaXXiacpopov, av oc ’AtioXXodv
ApTtaae, xav ex vaoö ayei -iraXiv oux dexooöav
ist also die unserem Relief zugrunde liegende Überlieferung.
Daß die Gruppe nicht völlig erhalten ist, lehrt die Abbildung. Idas muß
rechts gestanden haben in einer derjenigen des Gottes entsprechenden Haltung:
ursprünglich für ein größeres Relief bestimmt, wurde die Darstellung für das
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c) München. Sammlung Arndt. Ohne Inschrift.
Ein Jüngling in hohen Stiefeln und mit einer Chlamys, die ihm vom linken Arm
herabfällt, bekleidet, entfernt sich in heftiger Bewegung nach links von einem Altar,
auf dem sich ein bindenumwundener Omphalos befindet, indem er in der Linken
den Bogen hält und mit der Rechten aus dem Köcher, auf den ein Band um die
Brust hinweist, einen Pfeil zu nehmen scheint. Hinter dem Altar rechts eine weib-
liche Gestalt in aufgeregter Haltung, mit ärmellosem gegürteten Chiton bekleidet,
mit der Linken einen Gewandzipfel fassend und die Rechte abwehrend gegen den
Bogenschützen vorstreckend.
Die Inschrift ist, wie es scheint, bei b erhaben ausgeführt, bei a ist sie dagegen
in die Form hineinpunktiert. Bei a und c erkennt man über dem ausgestreckten
Arm der weiblichen Gestalt deutlich einen hochstehenden Dreifuß.
An den Raub des Dreifußes durch Herakles oder die Plünderung des Delphi-
schen Pleiligtumes durch die Gallier, Ereignisse, auf welche die deutlich verteidigende
Haltung des Gottes hinweisen könnte, ist nicht zu denken, da der Dreifuß noch auf
seinem Platze steht und Artemis, für die wir die weibliche Gestalt dann in Anspruch
nehmen müßten, keinen Grund hatte, die Gallier vor dem Zorn ihres Bruders zu
bewahren.
Benndorfs Erklärung als »Apollo und Marpessa« hat die größte Wahrscheinlich-
keit für sich: Idas hat Marpessa geraubt und auf Poseidons Flügelwagen entführt;
Apollo stellt ihn in Messenien und bedroht ihn, doch Idas richtet den Bogen gegen
den Gott selbst. Die Jungfrau schlichtet den Streit, indem sie sich für den mensch-
lichen Freier entscheidet (Apollodor. I 7, 8. Jahn, Archäol. Aufs. 46 ff.). Apollo
ist auf unserem Relief unzweifelhaft. Schwieriger ist die weibliche Gestalt zu be-
nennen. Artemis, die sie der Tracht nach darstellen könnte, hat mit unserer Sage
nichts zu tun, an Iris, welche auf uns erhaltenen Monumenten als Botin des höchsten
Gottes des öfteren den Streit schlichtet, zu denken, verbietet die Flügellosigkeit
(Jahn a. a. 0. 47. Etrusk. Spiegel b. Gerhard II 80. V II. Gaz. arch. VI 1880 pl.17.
Gerhard auserles. Vasenb. I 46, I S. 169. Roscher, Mythol. Lexik, s. v. Idas 103.
Furtwängler-Reichhold XVI Text 76). So werden wir an Marpessa selbst denken
müssen, indem wir annehmen, daß in irgendeiner Version der Sage Marpessa sich
zwischen die Kämpfenden warf. Der Ort der Handlung ist hier nicht Messenien,
sondern Delphi, wie Omphalos und Dreifuß beweisen. (Zum Omphalos auf altar-
ähnlichem Untersatz s. Karo, »Omphalos« 13 Fig. 4; aus Daremberg-Saglio, Dict.
des ant.) Das als metrisch unmöglich von Fröhner (Rhein. Mus. XLVII 1892
291) in Eoavoo geänderte ex vaoö des bei Pausanias (V 18, 2) überlieferten Distichons
an der Kypseloslade:
Goa? MapftpjöiJav xaXXiacpopov, av oc ’AtioXXodv
ApTtaae, xav ex vaoö ayei -iraXiv oux dexooöav
ist also die unserem Relief zugrunde liegende Überlieferung.
Daß die Gruppe nicht völlig erhalten ist, lehrt die Abbildung. Idas muß
rechts gestanden haben in einer derjenigen des Gottes entsprechenden Haltung:
ursprünglich für ein größeres Relief bestimmt, wurde die Darstellung für das