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Pan <Berlin> — 1.1895-96 (Heft I und II)

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https://doi.org/10.11588/diglit.3164#0059
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ZUR AUSSTATTUNGSFRAGE

Die Redaktion des PAN hat mit befonderer Freude die
Ausführungen Wilhelm Bodes dem erflen Hefte mnverleibt, obwohl
ße fleh m [einem gewiffen Gegenjatqe %u ihnen befindet. Es iß ihr
wertvoll erfchienen, die Aufmerkfamheit der hünfltlerifchen und
kwnftfrewidlichen Kreife gerade dadurch befonders flark auf die
Frage der typograplrifchem Ausflattung einer künftlerifch illuflrierten
Zeitfchrift %u richten, daß ße die %wei entgegen gefetzten An-
fchauungen auf diefem Gebiete nebeneinander fteüte. Die Bode'fche
Anfchauung frdlich nur in ihrer theorelifchen Faffung, während
ße ihre eigene durch die Art der druckerijehen Ausflattung die/es
Heftes in die Erfcheinung treten laffen konnte.

Trotzdem glaubt die Redaktion, ihren Standpunkt in diefer
Frage auch mit ein paar Worten kur% begründen %u Jollen.

Es iß zweifellos, daß die typographifche Ausflattung eines
Buches einen einheitlichen Charakter haben muß. je mehr fleh
diefer Charakter der Ausflattung mit dem Wejen des Inhaltes
deckt, um fo künftlerifcher wird der Eindruck fein. Es wäre
finnlos, im Rahmen eines Buchwerkes mannigfaltige Letternarten
%u verwenden, die verfchiedenen Zeiten oder Stilen angehören, es
fei denn, daß befondere Gründe ein folches Verfahren bedingen,
wie es zuweilen wohl gefchehen mag. So verwendet %. B. der auf
diefem Gebiete befonders fdnfühlige und kundige Eduard Grifebach
in feinen gefammelten Studien (dritte Auflage, Leipng bei W.
Friedrich, 1884) neben der durchgehenden Antiqua der Textfchrift
eine holländifche Golbifch in ziemlich beträchtlichen Mengen für
Citate und fcheut fleh nicht, im Vorworte alt Sdowabach neben
Renaiffance Curfiv %u fetten. Doch dies find Ausnahmefälle.

Bei der typograplnfchen Ausflattung einer illuflrierten Zmi-
fchrift mit den Abflauten des PAN dagegen liegen die Bedingungen
fo, daß vielmehr die einheitliche und durchgehende Verwendung
eines und desfelben Schriftcharakters nur in fein feltenen Fällen
ohne Zwang möglich ifl, es fei denn, man entfehlüge fich des
Wunfdies nach intimen und individuellen Wirkungen.

Ein Buch ifl ein großer Saal, von dem man einen ein-
heitlichen Eindruck erwarten darf, eine illuflrierte Zeitfchrift da-
gegen iß ein Haus mit vielen Zimmern und Gelafleit. Das
Haus felbfl, in feiner ganzen äußeren Erfcheinung, muß einheitlich
ßilgani wirken, aber die einzelnen Räume follen nach Wunfeh
und Wefen derer eingerichtet fein, die in ihnen wohnen. Man
kann die Betkapelle nicht wohl japanifd} ausmöblieren und das
Damenboudoir nicht fteifgotijeh. Ein Stil aber, der, aus unjerer
Zät erwachfen und künftlerifch %u voller Frudot gereift, geeignet
wäre, für Alles die rechte Form %u geben, befteht nicht. So
muffen wir alfo unfere Zuflucht %u früheren Formen nehmen,
wobei wir aber nidot vergeffen dürfen, daß wir alle Stilarten
hiftorifch anflehen und moderne Vorfleüungen in fie hineinlegen.
So fcheint uns das Gotbifche feierlich und das Rococo Imchtßnnig.

Dasfelbe ifts mit den Stilarten der Typographie. Zu ihrer
Zeit, aus der fie erfunden wurden, war eine jede wohl die ge-
meingültige Form, der man keinen befonderen Charakter beilegte,

Heute aber dünkt uns alte Schwabadoer derb, kräftig, das Bibel-
gotbijch feiervoll, faß religiös, die fran^öfifche Elsevier ifl uns
der Ausdruck gra^iöfer, glatter Elegani, die holländifchen Re-
naiffancetypen geben uns den Eindruck einer etwas breitbeinigen
Gefundheit. Da ifl viel Untergelegtes dabei, gewiß, aber gewiß
ifl auch, daß es uns komifch erfcheinen würde, ein norwegifches
Bauerntanzlied in granöfen Elzevierlettern %u fetten und ein
Gedicht von Dante Roffetti in der bauchigen Caxtontype.

Dies ifl aber nur ein Punkt und noch nicht der wejentlichfle.
Hinzu kommt noch der befiimmende Einfluß, den die Art des
Bildfchmuckes auf die Wahl der Type haben muß, die im Rahmen
der IUuftralion flehen fall. Hier würde ein Gegenjatz im
Charakter der baden finnfällig und damit unerträglich werden.
Man denke fich die Zeidmung eines modernen Chichiflen, die
ein typographifdoes Bild umrahmt, zu der man eine altfränkifche
Fraktur gewählt hat. Es würde grotesk wirken.

Aber das will freilido Niemand. Man will vielmehr eine
neutrale Type, die für alles paffen Joll und die demnach keinen
Charakter haben darf. Damit verurteilte man uns aber zur
Wahl der ausdruchlofen Abgefchliffenbeit, die, wenn ße einem
Ganzen das Gepräge verleihen joll, kein andres Gepräge auf-
bringen kann als eben das der Ausdruchsloflgkeit. Die Jchönen
Renaiffancetypen, wie wir fie in diefem Hefte befonders häufig
verwandt haben, entfprechen der Anforderung, allpaffend zu fein,
nicht, weil fie durchaus charakteriftijch find. Unjre Zeitungstype
wäre das Ideal, wenn fie nicht leider bereits einen Charakter
bekommen hätte, nämlich den der abjoluten Gewöhnlichkeit. Und:
warum Jollen wir uns irgend ein Ausdrucksmittel nehmen laffen,
wenn wir künfllerifche Eindrücke wollen? Das Leben nivelliert
genug, um fo fröhlicher foll alles Künfllerifche den Mut der
Nuance haben.

Zugegeben, daß in unferem Falle die Einheitlichkeit des
Ganzen verloren geht. Aber das ifl ein Mangel, der immer in
Kauf zu nehmen ifl, wo künfllerifche Individualitäten neben
einander flehen. Ueber einen Leiften läßt fich da nichts Jchlagen;
das einzige, wofür man forgen kann, ifl, zu vermeiden,
die einzelnen Gegeijät^e aneinander flößen. Dies ifl eine ,
der Anordnung von Fall zu Fall.

Vielleicht, daß man diefe unbequeme Nüancierungsmethode
aufzugeben geneigt wäre, wenn bei einer illuflrierten Zeitfdmft,
du, jufl die Pflege der ftarken Individualitäten zum Ziele hat,
es überhaupt möglidi wäre, viele Köpfe witter einen Hut zu britigen.
Aber: fo viel Vollbilder, ganz abgefehen von den IUußrationen,
Jo viel auseinanderflrebende Linien, Jo viel durcheinander tönende
Farben. Und es ifl gut Jo. Es wäre Jchrechlich, wenns an-
ders wäre.

Aber, 'wird man vielleicht Jagen, die Vollbilder, die Platten-
drucke, das find eben Seiten für fich, der Text dagegen hängt
untereinander zufammen. Dazu ifl %u bemerken, daß auf
diefen Punkt natürlich Bedadit genommen werden muß, darauf
nämlich, daß auch die Textfeiten, Joweit fie zu einem dichterifdmi
Gefüge gehören, dnheitlich behandelt werden muffen, daß alfo

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