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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0157
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136 VI. Anhang

Diese Typen führen uns unmittelbar zu Dürers Melancholie, denn auch
hier ist gleichsam ein Genius dargestellt und um ihn herum die Werk-
zeuge seines Schaffens.

Die Anregung zu solcher personifizierenden Darstellungsweise, die,
in der Antike beheimatet, nunmehr auch in der deutschen Renaissance
wieder zur Geltung kommt, verdankt Diirer vielleicht dem Land, das
ihm auch sonst die Berührung mit der Antike vermittelt hat: Italien.
Dort konnte er die Allegorieen Bellinis kennen lernen, die ebenfalls ge-
flügelte weibliche Gestalten mit begleitenden Putten zeigen; und von
Mantegna, der auch sonst für Dürers Kunst von so bestimmendem
Einfluß war, wissen wir ja sogar, daß er eine „Malinconia“ mit 16 mu-
sizierenden und tanzenden Putten gemalt hat.1)

So erwächst Dürers Darstellung aus einer Vereinigung der Per-
sonifikationsidee mit der Idee besonders ausgewählter Saturnberufe,
wie wir sie im Salone verwirklicht sehen. Und döch trennt Dürer
eine Welt von jenen Darstellungen im Salone und läßt ihn uns- trotz
aller Unterschiede zusammensehen mit dem Hausbuchmeister und
Bruegel. Denn auch seine Darstellung ist eminent einheitlich in der
Stimmung, ist durchaus subjektivistisch. Was ihn aber wiederum von
diesen fundamental scheidet, ist eben jenes neue Mittel der Darstel-
lung, das Konzentrieren auf die eine Personifikation. Aus antikisclier
Personifikation und nordischem Subjektivismus ist hier eine Synthese
entstanden.

VI. ANHANG

DER POLYEDER DES MELANCHOLIESTICHS

Der große Block im Mittelgrunde des Dürerischen Kupferstich's
schien uns, insofern er aus Stein ist, auf den Beruf des „Lapicida“ hin-
zudeuten (der ja auch im Saione -zu Padua bei der Bearbeitung eines
allerdings einfacheren Steinblocks dargestellt ist, vgl. Abb. 36) und,
insofern er die Form eines Polyeders besitzt, die darstellende, d. h.
„optische“ Geometrie zu repräsentieren, die damals in der mathemati-

i) In der Wiener Hofbibliothek wird unter Nr. 11 313 eine Handschrift der
,,Requisita magiae naturalis“ von Trithemius bewahrt, deren Merkurbild (fol. 19 r)
dadurch bemerkenswert ist, daß es die dem Gotte zugehörigen Berufe lediglich
durch die ihnen entsprechenden Werkzeuge symbolisiert zeigt. Der Kodex ent-
stammt aber, trotz des zweimal vorkommenclen Datums 1503, erst dem 17. oder
gar 18. Jahrhundert, so daß die Darstellung, so verlockend das bei den bekannten
Beziehungen zwischen Trithemius und dem Dürerkreis auch wäre, in unserem Zu-
sammenhang nicht verwertet werden kann.
 
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