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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0156
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Die Entwicklung der Planetenkinderdarstellung

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lich getrennten einzelnen Szenen des enzyklopädischen Bilderkreises
zueinander in Beziehung gebracht hat; am deutlichsten ausgeprägt. Bei
Merkur z. B. wird der Bildhauer zu den Leuten_, die esseig in Be-
ziehung gesetzt. Er wird dargestellt, wie er gerade seine Arbeit unter-
bricht und ihm eine Dame iiber den ganzen Tisch herüber einen Beclier
reicht. Bei dem Hausbuchmeister beginnt jene Linie, die zu den Bildern
der Tugenden von Bruegel führt. Auf dessen Zeichnung der Tempe-
rantia etwa kehren die alten Planetenkindertypen aus dem enzyklopä-
dischen Bilderkreis wieder, aber nun ist auch jede Spur der Treiinung,
clie noch beim Hausbuchmeister deutlich war, verwischt. Die allego-
rische Figur ist in die Mitte gestellt, und um sie herum sind die
Gruppen angeordnet. Diese sind zwar renaissancemäßig isoliert, aber
durch die Mittel der entwickelten Kunst des 16. Jahrhunderts entsteht
bei Bruegel ein einheitliches Bild neuer Ordnung.

Endlich die Frage, wie steht in dieser Entwicklungslinie Dürers
Melancholie ?

Mit den populären nordischen Saturnkinderdarstellungen hät sie
formal wie inhaltlich nichts gemeinsam. Was das inhaltliche Programm'
betrifft, so finden wir keine Hinweise auf die Verbrecher, Spieler usw.,
vielmehr erscheinen diejenigen Berufe, die in Dürers Darstellung sym-
bolisiert werden, in den Salonefresken vertreten: Die sechs Dar-
stellungen, die in den Saturnfresken des Salone das Nachdenken illu-
strieren, sind hier gleichsam zu der einen Hauptfigur geworden; Hobel
und andere Werkzeuge bei Dürer entsprechen dem Tischler, der Beu-
tel dem Schatzsucher, Block und „Mühlstein“ entsprechen beide dem
Steinmetzen, der sie hervorbringt, und der letztere deutet wahrschein-
lich außerdem noch auf den Schleifer, der ihn im Salone benutzt.
Die Auswahl aber, die Dürer getroffen hat, wird, wie wir sahen,
bestimmt durch die neue Auffassung des Saturn uncl der Melancholie,
die im Florentiner Neoplatonismus wurzelt, und durch die Zuspitzung
des ganzen Programms auf die geometrischen Tätigkeiten.

Was aber das Formale angeht, so bedeutet der Dürerstich dem
Salone gegenüber vollends etwas durchaus Neues: die Melancholie ist
zur Personifikation geworden ; um sie herum sind die Werkzeuge ihres
Tätigkeitsbereichs, in dem sie nunmehr unumschränkte Herrscherin
ist. Wir kennen schon aus unserenBetrachtungen der spät-antikenHand-
werksdarstellungen diese abgekürzte Form der Berufsbilder: auf einem
der spät-antiken Grabmäler war der Architekt dargestellt und neben
ihm die Werkzeuge seines Berufes. (Abb. 31.). Weitaus am nächsten
aber käme unseren Darstellungen jener etruskische Spiegel, auf demder
Genius dargestellt ist, und um ihn herum die Werkzeuge. (Abb. 32.)
 
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