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Panofsky, Erwin <Prof. Dr.>
Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst — Leipzig, Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.29796#0148
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122

Hercules Prodicius

schmückt mit Trophäen, feurigen Bomben, Sphingen und Viktorien, ein
Kolossalgemälde des „Hercules Prodicius“ umschloß (Abb. 62). Hercules,
der — nunmehr schon selbstverständlicherweise — die Porträtzüge des
damals nicht ganz 26 jährigenStatthalters trägt, wird von „Voluptas“ und
ihrem einen Kranz schwingenden Begleiter begrüßt, während ihm Amor
seine Keule zu entwinden sucht; er wendet sich nicht ohne Freundlich-
keit der liebenswürdigen Gruppe zu, allein schon tritt die schwergerüstete
Virtus-Minerva von der andern Seite hinter ihn, auf eine Felsenschlucht
voll Ungeheuer weisend, und packt ihn ziemlich derb am linken Arm, der —
nolens volens — auf ein Militärstilleben aus Kanonen, Lanzen, Fahnen usw.
deutet. Der Sinn der Allegorie ist ziemlich klar: während sich der junge
Maximilian erst noch im Sinne allgemeiner, nicht nur kriegerischer,
Herrschertugenden zu bewähren hat (die „Fama“ posaunt ja gewisser-
maßen ex ante), kommt der junge Ferdinand bereits als Sieger, daher er
auch als 5 AXe£txaxo<; begrüßt wird; allein er soll sich zum Bewußtsein
bringen, daß noch nicht alle Ungeheuer (lies: Franzosen und Oranier)
vernichtet sind. Der Geist der ganzen Allegorie ist ein durchaus mili-
tärischer, und es ist vielleicht kein Zufall, wenn die von Caspar
Gevaerts beigesteuerten Epigramme die Verse jenes Silius Italicus
wiederauf klingen lassen* 1), dessen „Virtus Romana“ der Kalokagathie des
klassischen Griechentums und der Asketentugend der Kyniker und Chri-
sten als eine rein kriegerische Erscheinung gegenübergetreten war, und
die erst hier — und nicht bei Raffael — ihren vollentsprechenden künst-
lerischen Ausdruck finden sollte.

Demgegenüber bringt das verschollene, aber durch einen Stich des
Pieter Nolpe überlieferte Gemälde Pieter Potters, obgleich es die Kom-
position des Sustris unmittelbar benutzt zu haben scheint und möglicher-
weise sogar von dem in Veroneses Pradobilde formulierten Bildgedanken
berührt worden ist2), diejenige Entwicklungslinie zum Abschluß, die von

zog Karl Friedrich, von Jülich-Cleve — als Titel gedient hat, liegt eigentlich ein Mißver-
ständnis zugrunde: das Adjektivum müßte von rechts wegen „Prodiceus" oder allenfalls
„Prodicianus“ heißen; die in älterer Zeit gebräuchliche Form gründet sich anscheinend
auf eine jetzt überholte Lesung der öfters erwähnten Stelle Cic. De Off. I, 32, 118: ,,Nam
quod Herculem Prodicus dicit, ut est apud Xenophontem . . . exisse in solitudinem . . .“
Statt dessen las man früher: ,,Nam quod Herculem Prodicium dicunt . .

1) Die Anfangszeile des Gevaertschen Epigramms

„ Ardua saxoso Virtutis semita clivo

Calcatur, Ferdinande, tibi. Malesuada Voluptas

Fallitur . . .“

ist bis auf ein einziges Wort identisch mit Silius XV, 102.

2) Vgl. insbesondere die „Virtus“ und den Hercules. Mit dem Pradobilde Veroneses
hat die Pottersche Komposition dagegen die starke Distanziierung der ,,Virtus' - Hercules-
Gruppe von der (sitzenden) „Voluptas“ gemeinsam. Möglicherweise hat eine Darstellung
wie die des Jan Lyss (Abb. 76, Text S. 139) die Vermittlung übernommen.
 
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