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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0103
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Versuch zu einer Darstellung u. Kritik der FREUDschen Neurosenlehre. 99

Verdichtung durch Vorausnahme darstellen. In solchen Fällen, welche
zugleich einen häufigsten und vielleicht den bestbekannten Typ der
Fehlleistungen darstellen, ist die inhaltliche Gestalt der Ersatzleistung
durch das teilweise vorausgenommene Wort determiniert, zu dem die
Auffassung voraus geeilt ist, also nicht durch das intendierte und ver-
fehlte Wort, von dem die Aufmerksamkeit abgeglitten ist, und die
Veranlassung zur Fehlleistung, daß die Aufmerksamkeit derartig ab-
irrte, kann nun wieder in äußeren Einwirkungen gegeben sein. (Da-
mit man uns nicht falsch verstehe: wir behaupten nicht etwa, daß
es in allen Fällen der Verdichtungen so sei, aber es kann so sein.)

Unser Ergebnis ist also: Der von Feeüd behauptete Zusammen-
hang kann in gegebenen Fällen statthaben, aber er ist von nur
partikulärer Gültigkeit. Es sind auf der Gegenseite Fälle aufzeigbar,
in denen er tatsächlich nicht stattfindet. Folglich ist es metho-
disch unzulässig, jenen Zusammenhang als Voraussetzung
von allgemeiner Gültigkeit zu verwenden und als allge-
meines heuristisches Prinzip an die Tatsachen heranzu-
bringen. Wenn er überhaupt heuristisch verwendet werden darf,
so höchstens für eine beschränkte Klasse von Fällen, für die die be-
sonderen Kriterien noch anzugeben wären.

Damit haben wir außerordentlich viel gewonnen. Wir erinnern
uns, diese allgemeine Voraussetzung ist wiederum ein Sonderfall des
allgemeinsten Feeüd sehen Prinzipes, den Assoziationen, die sich bei
der Analyse ergeben, ätiologische Bedeutung für das Zustandekommen
des zu analysierenden Gebildes zuzuschreiben. Wir hatten bisher
die Kritik dieses Prinzipes immer ausgeschaltet, mit gutem Grunde.
Denn diese Assoziationen, deren ätiologische Bedeutung in Frage
stand, führten entweder wie bei den neurotischen Symptomen zu den
traumatischen Komplexen, von denen wir wenig wissen, oder gar,
wie bei der Traumanalyse, zu dem latenten Trauminhalt, von dem
wir nichts wissen können. Hier erst, bei den psychopathologischen
Phänomenen des Alltagslebens, führt der behauptete Zusammenhang
zu einem Endgliede, das dem normalen Wachleben angehört, hier erst
führt der behauptete Maulwurfsgang durch das Unbewußte nach kurzer
überschaubarer Strecke wieder ans Tageslicht. Hier nur können wir
über das Bestehen dieses Zusammenhanges zu einem Urteil kommen.
Und dieses Urteil lautet: Dieser Zusammenhang kann in singulären
 
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