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antiker Kunst, die wir schon so of t für die Unfähigkeit, Fälschungen zu erkennen,
verantwortlich machen mußten. Unterziehen wir uns der Mühe, den Stil dieser
Bildhauer etwas genauer anzusehen, so werden wirerkennen, daß sie wohl darauf
bedacht waren, von der antiken Plastik für das eigene Schaffen zu lernen, daß
sie aber doch nur die äußere Form namentlich glatter römischer Marmorkopien
übernahmen, die wir bei allen Bildhauern dieser und der vorangegangenen Jahr-
zehnte ein wenig leer empfinden, so wie wir den Stilbegriff vor allem für die
Plastik dieser F.poche des „Klassizismus“ in einem etwas abwertenden Sinne un-
selbständiger akademischer Nachahmung verstehen. Soldren Künstlern muß der
Blick für den Charakter originaler griechischer Werke noch abgehen. Uns, die
wir von der klassizistischen Kunstauffassung abgerückt sind, scheint es heute
geradezu unfaßbar, wie an Montis Reliefs die Qualität der griechischen Arbeit
gerühmt werden konnte. Es dauerte jedoch bei diesen Fälschungen des späten
Klassizismus trotz Thorvaldsen und Trentanove nicht lange, bis die Archäologen
hinter den Betrug gekommen waren und Montis Fälscherwerkstatt entlarvten.
Aber ungeachtet dieser Aufdeckung in Schorns Kunstblatt für gebildete Stände59
hat es noch lange gedauert, bis an Hand einiger Zeichnungen der Fall Monti
wieder aufgerollt wurde; er geriet aber bald in Vergessenheit.

Wenn wir uns heute über den künstlerischen Wert der Monti-Fälschungen im
klaren sind, so tun wir doch unrecht, diesen Mann geringer zu schätzen als
die Fälscher der Renaissance oder des 19. Jahrhunderts. Sehen wir Montis
Werke in ihrer historischen und zeitlichen stilistischen Bedingtheit, so dürfen
wir ihre Bedeutung nicht unterbewerten. Der Erfolg von Montis „Antiken-
reliefs“ ist nicht weniger groß als der der „archaischen“ Figuren Dossenas ge-
wesen. Wir können heute kaum noch die Breitenwirkung der Fälschungen Montis
abschätzen und die Bewunderung ermessen, die sie hervorgerufen haben und der
sich mancher bedeutende Archäologe nicht zu entziehen vermocht hat. Sie waren
adäquater Ausdruck der klassizistischen Vorstellung von antiker Kunst jener Zeit,
in welcher und für welche sie geschaffen wurden. Nur wenn wir uns dies vor
Augen halten, werden wir den für unser Empfinden langweiligen und kalten
Werken Montis und .seines Umkreises gerecht werden.

Ein vielfiguriges Relief aus dem Montikreis (Abb. 28) hat sogar die Ehre gehabt,
in eine Sammlung der antiken Homerillustrationen aufgenommen zu werden.60
Nachdem es laut Aussage des Kunsthändlers Vescovali 1826 in der Nähe der
oberitalienischen Stadt Perugia gefunden sein sollte, kam das Relief, von den
genannten Künstlern begutachtet, in englischen Privatbesitz61 und schließlich
in das Fitzwilliam-Museum nach Cambridge. Dargestellt finden wir eine Szene
aus dem Trojanischen Krieg, für die es sonst in der antiken Kunst keine Ver-

Abb. 28
Relief mit Chryses
und Agamemnon

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