wurde, hat zu Fälschungen Anlaß gegeben, die heute in New York in einer Lehr-
schau gefälschter Antiken gezeigt werden.85 Hatte die Grueneisensche Aphro-
dite das Vorbild durch Verniedlichung entstellt, so sind die beiden New Yorker
Fälschungen ganz trockene und langweilige Kopien nach den antiken Vor-
bildern. .
Die knidische Aphrodite und ihre Nachkornmen
In der kleinasiatischen Stadt Knidos stand im Altertum in einem nidit nur von
der Vorderfront, sondern audi von der Rückseite zugänglichen Tempelchen das
Marmorbild Aphrodites, der schönsten unter den griechischen Göttinnen, deren
Kult in Kleinasien besonders gepflegt worden ist. Diese Plastik von der Hand des
Praxiteles aus dem 4. Jahrhundert gehört zu den berühmtesten Kunstwerken
des Altertums. Von überallher kamen die Besucher, um die Göttin in ihrer über-
irdisch schönen Gestalt verehren und bewundern zu können. Von den antiken
Schriftstellern ist es namentlich Lukian, der feinsinnige Beobachter, aber zugleich
brillante Spötter der römischen Kaiserzeit, der keine Gelegenheit versäumt, den
Vorzügen des Praxitelischen Bildwerkes Lob und bewundernde Anerkennung
zu spenden. Angesichts der knidischen Aphrodite im Vatikanischen Museum in
Rom mag uns die Begeisterung Lukians - und mit ihm einer unübersehbar
großen Menge bekannter und unbekannter Kunstfreunde - ein wenig übertrieben
erscheinen. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß die Statue im Vatikan nur eine
armselige Kopie des in der Spätantike in Konstantinopel zugrunde gegangenen
Originals darstellt. Vor allem müssen wir uns das auf alten Fotos noch sidrt-
bare Blechgewand. in das klerikale Prüderie Aphrodite bis zur Sdram gesteckt
hat, wegdenken, wie denn heute die Figur von dieser barbarischen Entstellung
auch wieder befreit worden ist. Obwohl die Kopie schlecht genug ist, so daß uns
die Geschichte des modernen Pygmalion, der sich an dem kalten Marmor ver-
gangen haben soll, kaum glaubhaft erscheint, zeigt sie uns doch wenigstens die
großartige Konzeption des Künstlers; die Wirkung freilich können wir nur ahnen.
Zum ersten Mal in der griechischen Kunstgeschichte sehen wir nach vereinzelten
Versuchen in der Kleinkunst ein monumentales Bild der Göttin in ihrer unver-
hüllten Weiblichkeit.
Der Künstler hat den Augenblick gewählt, da Aphrodite, zum Bade fertig, ihr
Gewand abgelegt hat und iiber ein neben ihr stehendes Gefäß wirft, um in das
97
schau gefälschter Antiken gezeigt werden.85 Hatte die Grueneisensche Aphro-
dite das Vorbild durch Verniedlichung entstellt, so sind die beiden New Yorker
Fälschungen ganz trockene und langweilige Kopien nach den antiken Vor-
bildern. .
Die knidische Aphrodite und ihre Nachkornmen
In der kleinasiatischen Stadt Knidos stand im Altertum in einem nidit nur von
der Vorderfront, sondern audi von der Rückseite zugänglichen Tempelchen das
Marmorbild Aphrodites, der schönsten unter den griechischen Göttinnen, deren
Kult in Kleinasien besonders gepflegt worden ist. Diese Plastik von der Hand des
Praxiteles aus dem 4. Jahrhundert gehört zu den berühmtesten Kunstwerken
des Altertums. Von überallher kamen die Besucher, um die Göttin in ihrer über-
irdisch schönen Gestalt verehren und bewundern zu können. Von den antiken
Schriftstellern ist es namentlich Lukian, der feinsinnige Beobachter, aber zugleich
brillante Spötter der römischen Kaiserzeit, der keine Gelegenheit versäumt, den
Vorzügen des Praxitelischen Bildwerkes Lob und bewundernde Anerkennung
zu spenden. Angesichts der knidischen Aphrodite im Vatikanischen Museum in
Rom mag uns die Begeisterung Lukians - und mit ihm einer unübersehbar
großen Menge bekannter und unbekannter Kunstfreunde - ein wenig übertrieben
erscheinen. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß die Statue im Vatikan nur eine
armselige Kopie des in der Spätantike in Konstantinopel zugrunde gegangenen
Originals darstellt. Vor allem müssen wir uns das auf alten Fotos noch sidrt-
bare Blechgewand. in das klerikale Prüderie Aphrodite bis zur Sdram gesteckt
hat, wegdenken, wie denn heute die Figur von dieser barbarischen Entstellung
auch wieder befreit worden ist. Obwohl die Kopie schlecht genug ist, so daß uns
die Geschichte des modernen Pygmalion, der sich an dem kalten Marmor ver-
gangen haben soll, kaum glaubhaft erscheint, zeigt sie uns doch wenigstens die
großartige Konzeption des Künstlers; die Wirkung freilich können wir nur ahnen.
Zum ersten Mal in der griechischen Kunstgeschichte sehen wir nach vereinzelten
Versuchen in der Kleinkunst ein monumentales Bild der Göttin in ihrer unver-
hüllten Weiblichkeit.
Der Künstler hat den Augenblick gewählt, da Aphrodite, zum Bade fertig, ihr
Gewand abgelegt hat und iiber ein neben ihr stehendes Gefäß wirft, um in das
97