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Paul-Pescatore, Anni
Der Meister der bemalten Kreuzigungsreliefs: ein Beitrag zur Geschichte der niederdeutschen Plastik im 15. Jahrhundert — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 206: Strassburg: J.H.Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.67612#0036
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Bei den Teufeln, die den wunderlichen Ort bevölkern, hat
der Künstler mit sichtlicher Freude seiner Erfindungskraft die
Zügel schießen lassen. Sie sind an Gestalt und Größe sehr
verschiedenartig. Von dem Gefesselten, der aufgerichtet beinah
das Maß der Figuren im Mittelteil (ca. 40 cm) erreichen würde,
geht es in mehreren Stufen abwärts bis zu einem kleinen Kerl,
dessen Gesicht nur noch acht Millimeter mißt. Und ebenso ist
bei ihrer Beschäftigung jede Eintönigkeit vermieden. Die beiden
Blasebalgtreter wurden schon erwähnt. Weitere Teufel klettern
an den turmartigen Oefen empor; einer hat sich, zwischen
beide geklemmt, einen besonders behaglich warmen Platz ge-
sucht, ein anderer kommt zwischen ihren höchsten Spitzen
zum Vorschein. Einige tragen Geißelungsinstrumente in den
Händen. Von rechts tritt ein größerer Höllenbewohner, dem
mehrere kleine Teufelsgestalten auf dem Bücken hocken, mit
einer Botschaft, die sich auf dem Spruchbande aber leider nicht
mehr ganz entziffern läßt1, an seinen Herrn heran.
dort dieser Höllenrachen, eine mehr menschliche Fratze, aus deren Maul
Adam und Eva auf Christi Geheiß eben hervorsteigen, in ein Architektur-
gerüst eingespannt. — Ueber ältere hierher gehörige Darstellungen einige
Angaben bei A. Koppen, Der Teufel und die Hölle in der darstellenden
Kunst von den Anfängen bis zum Zeitalter Dantes und Giottos. Berlin
1895 (Jenenser Diss.) S. 44 u. passim.
Es ließe sich auch anführen, daß sogar in der literarischen Quelle,
dem eben zitierten Evangelium des Nikodemus, die Vorstellungen von der
Hölle als Burg und als unersättliches Ungeheuer durcheinander gehen.
1 Ich glaube zu lesen . . . va iublat. Zu ergänzen wäre etwa: sanc-
torum oder patriarcharum caterva iub(i)at; denn wenn auch dieser Wort-
laut in der lateinischen Ausgabe des Nikodemusevangeliums nicht vor-
kommt, so wird doch durch den Text, der ausdrücklich von der großen
Freude der Vorväter beim Herannahen Christi berichtet, die Deutung auf
ihre Schar außer Zweifel gestellt.
Auf dem anderen Spruchbande, das der eine der beiden Blasebalg-
treter hält und auf das der andere hinzuweisen scheint, sind nur die
beiden Anfangsworte: Regnum tuum völlig sicher. Ob sich nach meh-
reren unleserlichen Zeichen das Wort ruit (freundl. Mitteilung des Schwe-
riner Mus.) zusammenfügen läßt, muß fraglich bleiben. Es würde dem
Sinn nach mit der literarischen Quelle vortrefflich übereinstimmen, denn

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