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Paul-Pescatore, Anni
Der Meister der bemalten Kreuzigungsreliefs: ein Beitrag zur Geschichte der niederdeutschen Plastik im 15. Jahrhundert — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 206: Strassburg: J.H.Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.67612#0133
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Für die auffallende Gestaltung des Bodens voller Gänge
und Höhlen läßt sich noch besonders auf eine Miniatur aus
der Werkstatt des Hänslein von Hagenau verweisen, une ga-
renne de lapins1, ein hügeliges Gelände, ganz durchwühlt von
Kaninchenlöchern. Zwar hat der Illuminator das der Natur
aufs liebevollste nachgebildete Kleinleben zur Hauptsache ge-
macht, während dem Bildhauer bei der Bewältigung seines
großen Themas nur ein bescheidenes Streifchen am unteren
Rande für derlei Liebhaberei zur Verfügung stand. Aber die
Darstellungsart, wie die Tiere aus ihrem Bau hervorlugen oder,
.zum größten Teil vom Erdreich überschnitten, wieder darin
verschwinden, ist durchaus die gleiche.
Gehen wir von den Erscheinungen der Pflanzen- und Tier-
welt über zu den Menschen der Sandsteinreliefs, so ließe sich
für die porträthaften Köpfe allgemein darauf hinweisen, daß in
den Handschriften sehr früh Bildnisse vorkommen, die eine
bemerkenswerte Fähigkeit ihres Schöpfers, die Eigenart der
Formen eines bestimmten menschlichen Antlitzes aufzufassen
und wiederzugeben, verraten, wenn auch von dieser Fähigkeit
vorerst nur bei besonderem Anlaß (Stifterporträts2) Gebrauch
gemacht wird. Außerdem verdient folgende Einzelheit Beachtung.
Es tritt unter den Kriegsknechten der Reliefs mehrmals ein
.mohrenartiger Typus auf mit aufgestülpter Nase, wulstigen
•Lippen, krausem Haar. Meist trägt gerade dieser Mann einen
Turban, der aber anders um den Kopf gelegt ist als die tur-
banähnlich geschlungene «Gugel». Er erweckt nicht gerade
•den Eindruck, als habe der Meister selbst Neger gesehen und

den Teufel (der Fuchs kommt zurückgehend auf den «Physiologus» als
Teufel, besonders als Verkörperung der Teufelslist vor) — ändert das
nichts an der Darstellungsart als Genreszene.
1 In einem in der Nat. Bibi, zu Paris bewahrten Manuskript (Ms.
fran^ais 616) Vgl. Fierens Gevaert, a. a. 0. S. 97.
2 Ein besonders frühes Beispiel (um 1353) bei Michel, a. a. 0. S. 123
Fig. 65.

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