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Wenn nun die Münchener Kunst dieses nationale Element mit größerer Kraft
und Entschiedenheit entwickelte, als irgend eine andere Knnstschule in Deutschland,
so wirkten dazu sehr verschiedene Bedingungen zusammen. Zunächst ihr Ursprung
ans einer berechtigten Reaktion gegen die Fremdherrschaft, sowohl gegen die politische
als gegen die noch viel geführlichere in den Sitten, in welchem Befreiungskampf

Kvnig Ludwig nnd Cornelins gleich sehr die Führer waren. Diese nationale Reaktion
blieb denn auch das Lebensprinzip der Schule für alle Zeit. Nicht minder war es
dann ein außerordentlich günstiger Zufall, daß von den vier Königen, unter welchen
das Aufblühen der Schule stattfand, wenigstens die drei Letzten dieselbe warme,

ja fast leidenschaftliche Begeisterung für die Kunst teilten. War sie ihnen unzweifel-
hafte Herzenssache, so begriffen sie auch früher, als die übrigen deutschen Fürsten,
daß ihre Kunstpflege mehr als alles andere geeignet sei, ihre Macht wie die Bedeu-
tung Bayerus in Deutschland ganz gewaltig zu erhöhen. Seit den Medicäern hat das
niemals mehr ein Fürstengeschlecht in solchem Maße verstanden wie die Wittelsbacher. —
München verdankt es dieser richtigen Einsicht, daß es sich hente ganz unzweifelhaft

zur zweiten Stadt Deutschlands aufgeschwungen hat, obwohl es am Anfang des

Jahrhunderts kaum die fünfte oder sechste war, ja daß es von fremden Nationen
sogar noch erheblich mehr besucht wird, als selbst Berlin.

Die Kunst hat also die Pflege, welche Herrscher und Volk in Bayern mit
ebensoviel Regenten - Weisheit wie uneigennütziger Liebe ihr angedeihen ließen, mit
reichem Danke erwidert. Ja sie hat all' ihre Segnnngen über Beide ausgestreut,
dem einen mit unsterblichem Ruhm, dem andern mit einem hundertfach verschönerten
und veredelten Dasein gelohnt. Sie hat dieselben aber auch erst wieder aufs innigste
mit dem ihnen so lang entfremdeten deutschen Gesamtvaterlande verbunden, das
ihnen für ihre Hervorrufung einer wahrhaft nationalen Kunst unvergünglichen Dank
schuldet und tüglich durch die Tausende abtrügt, welche nach München als einem
nationalen Heiligtum wallfahrten, wie einst die Griechen nach Athen. —- Wer könnte
die Stellung Bayerns zu Anfang des Jahrhunderts, mit der ruhmvollen, die es
heute in Deutschland einnimmt, vergleichen ohne zu sehen, daß es fast allein die
Kunst war, welche dieses Wunder gewirkt, die Herzen im Nord und Süd des Vater-
landes zuerst wieder unauflöslich verknüpft hat und es noch täglich thut.
 
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