Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
durch seine die Stadt beherrschende Lage zur Errichtnng von Prachtbauten wie ge-
wacht erschien, gleichwohl aber beharrlich vernachlässigt wnrde. Es scheint, daß
Klenze, der überhanpt wenig Sinn für malerische Wirkungen bei der Architektur be-
saß, dem König immer davon abgeraten hatte, wahrscheinlich weil er die teuerchFun-
damentierung auf diesem erhöhten Terrain scheute. Der von der Residenz und dem
Hoftheater bis zur Jsar führende östliche Stadtteil, der sogenannte Lehel, blieb also
in der ganzen Regierungszeit König Ludwigs ein völlig planloses Gewirre von
aufs Geratewohl, meist inmitten von Gürten, entstandenen Hausern. Dieses von
mehreren Kanälen durchschnittene, von rein zufüllig entstandenen engen und krummen,
meist nicht einmal fahrbaren Wegen gekreuzte Gelände bildete eine Vorstadt, wie sie
nngesnnder und unordentlicher nicht gedacht werden konnte. Nur bei der Prater-
insel, damals einem beliebten Vergnügnngsplatz für die unteren Klassen, .war sie mit
dem gegenüber liegenden Ufer durch eine hölzerne Brücke für Fnßgänger verbnnden.
Es war Bürcklein, der dem König den Gedanken eingab, hier eine vom Residenz-
platz ansgehende, direkt auf die Jsar zuführende große Hauptstraße, eine Art Korso
anzulegen, der die Jsar bei der Praterinsel überbrückend, dann eine direkte Verbin-
dnng mit der dort auf der Höhe liegenden Vorstadt Haidhausen herstellen und so
die Vergrößerung der Stadt von der seither allein bevorzugten Nord- und West-
nach der ganz vernachlüssigten Ostseite lenken sollte. — Besonders glücklich und wohl-
thätig erwies sich dieser Plan, als der König auch noch das ganze gegenüberliegende
rechte Jsarnfer von Bogenhausen bis znr kleinen Gasteigkirche erwarb und in einen
herrlichen Park umschus, der mit seinen schönen Ausblicken auf die Stadt und seiner
gesunden Luft ihr sogar noch einen fast größeren Schmnck verlieh, als es der Englische
Garten ist. Dennoch fand er anfänglich nichts als Widerspruch bei einer Bevölke-
rnng, die nun einmal allen Neuernngen abgeneigt bleibt. — Jst doch der Trieb
zum Widersprechen ja so tief gewurzelt in der Natur der Dentschen, daß man sogar
bei all' unseren gesetzgebenden Versammlnngen im Anfang immer eine Mehrheit zu-
sammenbringen wird, die Nein zu allem sagt, was es auch sei. — Glücklicherweise
ließ sich der sonst so leicht irre zu machende König diesmal nicht zurückschrecken und
fand an dem ebenso gewandten als biegsamen Bürcklein dabei ein ungewöhnlich ge-
eignetes Werkzeug. Derselbe hatte sich zuerst Ruf und das Vertrauen des Königs durch
die Erbannng des Bahnhofes in romanischem Stil erworben, der besonders durch
die Grazie seiner Vorhalle gefiel. Dann hatte er eine Menge weiterer Bahnhöfe in
ganz Bayern, sowie viele Privathäuser in München erbaut, die sast immer durch
hübsches Detail oder doch durch ihre Neuheit überraschten. Durch längeren Auf-
enthalt in Jtalien, dann 1839 mit Gärtner in Griechenland und auf sonstigen
großen Reisen, hatte er sich anch nicht geringe Erfahrung erworben. Bei seinem
unzweifelhaft bedeutenden Talent wäre er also wohl der Mann der Situation ge-
wesen, ohne die zu große Willfährigkeit, die es ihm zum Ehrgeiz machte, den ewig
wechselnden Wünschen des Königs immer zu entsprechen, statt wie Klenze, an seinen
Baugedanken unerschütterlich festzuhalten. Jetzt einstweilen richtete er seine Straße,
sie im unteren Teile zu einem großen Forum mit Gartenanlagen erweiternd, so
geschickt und zweckmüßig ein, daß sie, sobald sie nur erst einmal gangbar, und eine
sehr glücklich komponierte Jsarbrücke von dem Stadtbaumeister Zenetti fertiggestellt
war, sofort der Lieblingsspaziergang der Münchener ward und bis heute geblieben
ist, der die banmlose und öde Ludwigstraße bald ganz verdrüngte.

190
 
Annotationen